Nr. 799 (German Edition)
Ich blinzelte.
Das Licht kam näher. Dann verlöschte es wieder. Schattenhafte Gestalten beugten sich über mich, flüsterten miteinander. Ich verstand ihre Worte nicht und versuchte mich zu konzentrieren. Doch sie schienen in einer anderen Sprache zu reden.
Als sie meinen Körper abtasteten, bemerkte ich, dass ich nackt war. Ich wollte mich wehren, doch meine Handgelenke waren festgebunden. Die Fesseln kratzten und zogen sich zusammen, sobald ich mich auch nur ein wenig rührte.
»Scheiße«, wisperte ich.
Die spitzen Nägel der Gestalten glitten meine Hüften entlang, überprüften die Gelenkigkeit meiner Beine, kniffen mir in die Haut. Wer waren diese Leute? Was wollten sie von mir? Und was zur Hölle hatte ich hier verloren?
Ehe ich diese Fragen stellen konnte, spürte ich noch mehr Hände, die sich in meinen Mund drängten, meine Zähne kontrollierten, meine Zunge, meinen Rachen. Gerade wollte ich zubeißen, als die Gestalten sich wieder zurückzogen und die Köpfe schüttelten.
Gesichter konnte ich nicht erkennen. Nur wallende, schwarze Kleider und lange, schneeweiße Finger, die vor meinen Augen herumtanzten. Wieder sprachen sie miteinander, hektischer diesmal, lauter.
Ich wollte schreien, aber ich hatte meine Stimme verschluckt. Was hatten sie mit mir getan? Die Finsternis umarmte mich, erdrückte meine Lunge, während ich meinen Mund weit aufriss und schrie, schrie, schrie. Lautlos. Erfolglos.
Sie eilten zurück an meine Liege, zückten – was zückten sie da?! – Klemmbretter und Stifte? Ihre Finger flogen nur so über das Papier, während sie mich betrachteten, bewerteten. WAS WOLLT IHR VON MIR?! Meine Gedanken krallten sich tief in meinem Gehirn fest, ich riss meinen Mund immer weiter auf, bis mein angespannter Kiefer abzuspringen drohte. Meine Zunge trocknete aus. Ich musste etwas trinken. Ich musste den Mund schließen. Doch ich konnte mich nicht beherrschen. Wo war meine Stimme? Was passierte hier? Mein Rachen suchte nach der Antwort, suchte nach meinen Stimmbändern, während die Gestalten ihre Köpfe zusammentaten und die Situation beredeten.
Da wurde mir endlich klar, wo das Licht herkam. Eine einsame Glühbirne schaukelte über meinem Kopf hin und her, wie ein Pendel, das mich zurück ins Land der Träume befördern wollte.
Vielleicht war alles nur ein Traum? Ein Albtraum?
Einfach nur die Augen schließen, befahl ich mir. Und den Mund. Schließ deinen Mund. Sofort.
Widerwillig gehorchte mein Kiefer mir. Sobald meine Lippen aufeinanderlagen, lief wieder Speichel in meinem Mund zusammen, tränkte meine ausgedörrte Zunge, meinen ausgedörrten Rachen. Gut so.
Schließlich schloss ich auch meine Augen, ignorierte das feuerrote Licht der Glühlampe hinter meinen Lidern, konzentrierte mich erneut. Wie konnte ich aus diesem Albtraum wieder aufwachen? Was sollte ich tun?
Als Erstes: mich an die letzte Begebenheit vor dem Schlafengehen erinnern. Wie hatte mein gestriger Tag ausgesehen? Nichts. Mir fiel nichts ein. Als wäre alles in meinem Kopf ausgelöscht, von einem hungrigen Feuer verschluckt. Erinnerungen. Bilder. Wer war ich? Wie lautete mein Name?
»Nummer Siebenhundertneunundneunzig.« So klangen die ersten beiden Wörter in diesem Raum, die ich verstand. Sie kamen aus dem Mund einer – ja, ich konnte endlich ihr Gesicht genauer erkennen – untersetzten Brillenträgerin, mit zugeknöpftem rosafarbenen Hemd und blonder Hochsteckfrisur. Sie trat einen Schritt näher und lächelte mich mechanisch an. Ihre Augenfarbe konnte ich nicht genau bestimmen. So als besäße sie gar keine richtige, nur einen Wirrwarr aus unterschiedlichen Farbtönen, die sich zusammenschlossen und funkelten. Mal grau. Mal grün. Mal weiß. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, begrüßte sie mich mit einer hohen Stimme, die mich an die eines kleinen Mädchens erinnerte. »Ich darf Sie willkommen heißen in der Anstalt für Überführer.«
Albtraum. Ich steckte fest in einem Albtraum. Augen zu. Sieh sie nicht an. Versuch aufzuwachen. Ich wandte mein Gesicht ab und presste meine Lider aufeinander. Gleichzeitig biss ich mir so fest auf die Zunge, dass sie anfing zu bluten. Nein, sie blutet nicht. Das ist alles nicht echt. Du träumst, scheiße, du träumst, was auch immer dein Name ist.
»Was tut sie denn da?« Die Stimme der Frau kam immer näher. »Sie sieht mich gar nicht an. Was stimmt nicht mit ihr, Boss?«
Ich vernahm ein tiefes Räuspern, das mir einen Schauer über den Rücken jagte. Daraufhin hörte ich
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