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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Eine.22er – ›Stupsnase‹ wird die genannt. Winzigkleine Waffe, würde in eine heruntergekrempelte Socke oder in ein Handtäschchen passen.« Er hielt die Clutch in die Höhe, die neben der Leiche von Kate Banks gelegen hatte. »Kein schweres Geschütz, aber aus nächster Nähe auf weiches Gewebe gerichtet erfüllt sie ihren Zweck. Wie wir ja gesehen haben.«
    Jury überlegte. »Sie glauben, die Waffe gehörte Kate Banks?«
    Jenkins schüttelte den Kopf. »Woher sie stammt, haben wir noch nicht heraus. Wenn Kate aber auf den Strich ging, wäre es kaum überraschend, dass sie zur Selbstverteidigung eine Waffe bei sich hatte. Dafür werden diese Stupsnasen gewöhnlich eingesetzt. Lassen sich ja sehr leicht kaschieren.«
    Nach kurzer Überlegung schüttelte Jury den Kopf. »Aber nicht in Kate Banks’ Handtasche. Nicht mit dem Geldbündel darin.«
    Jenkins nickte.
    »Mariah Cox wurde mit einer.38er erschossen. Trotzdem glaube ich, dass es derselbe Schütze war.« Jury deutete ein Lächeln an.
    »Die Kombination Escortgirl-Bibliotheksangestellte finde ich wirklich hochinteressant.«
    Erst dachte Jury, Jenkins meinte es sarkastisch. Doch als dieser den Mund nur zu einem schmalen Lächeln verzog, war ihm klar, nein, Jenkins war tatsächlich fasziniert davon.

    Jenkins fuhr fort: »Ein Doppelleben. War das der Nervenkitzel? Nicht der Sex, nicht das Geld?«
    »Keine Ahnung. Durch ihren Freund habe ich allerdings ein ganz anderes Bild von der Frau gewonnen. Den Freund in Chesham, meine ich. Für den kam das alles aus völlig heiterem Himmel. Nicht nur ihr Tod, auch die Sache mit dem Doppelleben.«
    Sein Stuhl knirschte, als Jenkins sich zurücklehnte. »Erinnern Sie sich an Kim Novak in Vertigo ?«
    »Davon haben Sie gestern Abend schon geredet. Glauben Sie, Kate Banks wurde von einem Glockenturm gestürzt?«
    Jenkins dachte nach, aber nicht über Jurys Einwurf. »Der Film hatte definitiv etwas Krankhaftes.«
    »Sie meinen die Rolle von James Stewart?«
    »Der ganze Film. Seine Rolle auch. Sie passte dazu.« Jenkins ließ einen Bleistift über die Handrücken rollen, hin und her. »Haben Sie sich mal näher mit Obsessionen beschäftigt?«
    »Abgesehen von meiner eigenen? Nein.«
    »Es hat nicht viel mit Liebe oder irgendeinem anderen Gefühl zu tun, sondern mit der Vorstellung davon. Obsession ist auf sich selbst bezogen.«
    »Da kann ich Ihnen jetzt nicht recht folgen.«
    Jenkins seufzte. »Ja, ich mir auch nicht.« Er warf den Bleistift in die Luft und fing ihn wie ein Tambourmajor wieder auf. »Nein, warten Sie… mir kam da gerade ein Gedanke.« Er hielt inne. »Hitchcock lag mit Vertigo völlig daneben. Die Figur war einfach nicht stimmig. Nehmen Sie stattdessen mal Norman Bates. Norman war absolut verrückt …«
    »In Psycho ?«
    Jenkins nickte. »Und dann der Kerl in Der Fremde im Zug , dieser Bruno, das war eine ausgefeilte Figur. Bruno war bloß halb verrückt. Beide Figuren waren glaubhafter als die James-Stewart-Figur.«
    Eine Polizistin klopfte an den Türrahmen – die Tür selbst
stand offen -, trat ein und übergab Jenkins eine Mappe. Auf dem Weg nach draußen lächelte sie Jury zu.
    Jenkins klappte die Mappe auf. »Okay.« Er brummte ein paar Mal leise.
    »Ist das die von Kate?« Jetzt war er schon wie Wiggins, der es beim Vornamen bewenden ließ, wenn er von einem Mordopfer sprach, dachte Jury.
    Jenkins nickte. »Keine Überraschungen. Keine Patronen am Tatort gefunden. Zwei aus dem Opfer geholt. Viel ist da nicht, was zwischen diesen beiden Morden als Verbindung dienen könnte, abgesehen von der Sache mit dem Escort-Service.«
    »Und dass sonst nichts passiert ist.«
    Jenkins sah ihn fragend an. »Was?«
    »Es ist nichts passiert, außer dass die beiden Frauen erschossen wurden: keine Vergewaltigung und, was noch seltsamer ist, wenn man an die siebenhundertfünfzig Pfund denkt – kein Raub. Beide waren fein angezogen, wie für eine Party.«
    »Aber die Orte, wo die Morde passiert sind, unterscheiden sich doch völlig voneinander. Die haben sich nicht beide in einem bestimmten Teil von London ereignet, sondern einer in London, einer außerhalb. Das trennt sie voneinander. Daher auch der Gedanke, dass es kein Serienmörder gewesen sein konnte. Und dass die beiden Morde nichts miteinander zu tun haben.«
    »Sie glauben das aber nicht?«, fragte Jury.
    »Nein, ich denke, sie haben durchaus miteinander zu tun.« Jenkins saß da und grübelte über etwas nach. Über Obsessionen, vermutete Jury und fragte:

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