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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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1. KAPITEL
    Es stand bereits in den dämlichen Londoner Klatschzeitungen, da war der Fall noch keine drei Tage alt. Und ein Bild von ihm war auch dabei, obwohl für den Fall eigentlich die Polizei von Thames Valley zuständig war und nicht die Metropolitan Police.
    Superintendent Richard Jury, ranghoher Detective bei der Metropolitan, der die Sprossen der Dienstleiter erklommen hatte, ohne seinen Rang allzu wichtig zu nehmen, stand in diesem Moment in High Wycombe in der Gerichtsmedizin und betrachtete die Leiche einer bislang noch nicht identifizierten Frau.
    Das Faszinierende an der ganzen Geschichte, mutmaßte er, war nicht bloß, dass das auffallend hübsche Mädchen (oder eher: die Frau, nur machte »Glamour-Girl« sich in den Zeitungen eben viel besser) auf dem Grundstück eines Pubs vor den Toren Londons erschossen worden war, sondern auch der Umstand, dass die Polizei nach achtundvierzig Stunden immer noch nicht herausgefunden hatte, wer sie war.
    Jury betrachtete die Leiche und fragte sich, wieso ihm dabei das berühmte Porträt des toten Chatterton in den Sinn kam. Dann fiel ihm ein, dass auch Millais seine Ophelia als Sterbende gemalt hatte, oder jedenfalls so, wie er sie sich im Wasser treibend vorgestellt hatte. Das war typisch für die Zeit der Präraffaeliten, jene romantische Ära eines Rossetti, Holman Hunt und Millais: diese reiche Einbildungskraft, diese leuchtenden Farben, dieses Fasziniertsein vom Tod in der Jugend. Die Präraffaeliten hatten es wirklich mit dem frühen Sterben.
    Dr. Pindrop: den Namen – man konnte die Stecknadel förmlich fallen hören – fand Jury köstlich, obwohl er überhaupt nicht
zu dem Arzt passte. Schweigen war nämlich die Sache des Gerichtsmediziners nicht. Er verhaspelte sich beim Reden und erweckte den Anschein, als würde er gleich aus der Haut fahren und sich nur mit äußerster Mühe zurückhalten können.
    »Zwei Schüsse«, sagte Pindrop, »einer davon knapp vorbei an den lebenswichtigen Organen …« Er deutete auf die schwerverwundete Schulter für den Fall, dass Jury blind war. »Der zweite in den Brustkorb, der hat es ihr dann gegeben.«
    Jury nickte schweigend und versuchte, sich das klassisch gemeißelte Gesicht der Frau einzuprägen.
    »Superintendent?«
    Jury hob den Blick.
    »Sie haben die Leiche ja ausgiebig studiert. Kann ich sie jetzt zudecken?«
    Jury nahm an, dass die Irritation den üblichen Grund hatte: Wieso schickte New Scotland Yard eigentlich Leute her? »Nein. Lassen Sie sie noch einen Augenblick.« Jury setzte seine »ausgiebige« Betrachtung der Toten fort. Laut Gerichtsmedizin war die Tat mit einer.38er begangen worden. Eine Schusswaffe hatte man nicht gefunden, wohl aber ein paar leere Patronenhülsen.
    Der Arzt hatte ihm die Kleidung gezeigt, die sie getragen hatte: Designerkleid, Schuhe, Handtäschchen.
    »Das Etikett ist angeschmutzt. Sieht nach Lanvin aus. Das ist dieser Franzose.«
    »Nein. Das Kleid ist von Saint Laurent. Der andere.« Pindrop grinste. »Ah, Sie wissen ziemlich gut Bescheid über diese Franzosen, was?«
    »Ich weiß eine ganze Menge.« Jury verkniff sich das Lachen.
    Der Arzt stieß einen knurrigen Lacher aus. Es klang wie Dr. Watson, gespielt von Nigel Bruce.
    Das Kleid war wunderschön. Sehr gediegen und dann doch wieder nicht. Den Ausschnitt bildeten mehrere Lagen von Rüschen. Die Ärmel waren durchsichtig wie Glas und reichten fast bis zum Ellbogen. Das Kleid hatte fast dieselbe Farbe wie ihr
Haar, ein sattes Kupferrot. Es war aus Seide gemacht oder aber aus Luft. Noch nie hatte er ein Kleid gesehen, das so züchtig und gleichzeitig so sexy aussah. Die Schuhe waren von Jimmy Choo. Der Name des Designers stand in großen Buchstaben quer auf der Innensohle einer hochhackigen Sandale mit reizvoll überkreuzten, schmalen Lederriemchen in einem schillernden Kupferton. Die Tasche war von Alexander McQueen. Den kannte Jury zwar nicht, konnte sich aber denken, dass er zu den anderen Nobelläden an der Upper Sloane Street gehörte. Das gesamte Outfit, mochte er wetten, käme gut und gern auf einige Tausend Pfund.
    »Teuer«, sagte der Arzt. »Muss gut betucht gewesen sein.«
    »Oder sonst jemand.« Er hob den Blick. »Wohnen Sie in Chesham. Dort, wo der Mord verübt wurde?«
    »Nein, in Amersham. In Old Amersham, nicht das auf dem Hügel.«
    Offensichtlich ein bedeutsamer Unterschied. »Dann können Sie also nicht sagen, ob die Frau möglicherweise aus Chesham stammt?«
    Dr. Pindrop fuhr sich mit der Hand durch sein

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