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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F Pusch
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sie: Sie haben eine persönliche Beziehung zu ihrem Werk.

    A poem does not come to life until a reader makes her response to the words written by the poet.

    Ein Gedicht wird erst dann lebendig, wenn eine Leserin ihre Antwort auf die Worte gibt, die die Dichterin geschrieben hat.

    Die Totale Feminisierung bietet eine elegante Lösung für die oben aufgeführten Übersetzungsprobleme. Buchtitel wie Die skeptische Feministin sind damit kein Problem mehr. Es soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß diese Lösung andere Probleme aufwirft, und zwar Probleme für das Maskulinum. Ich erinnere deshalb noch einmal an den obigen Kernsatz:

    Den Ungerechtigkeiten patriarchalischer Sprachen ist [...] mit systemlinguistischen Mitteln nicht beizukommen, sondern nur mit sprachpolitischen.

    Die Totale Feminisierung ist eine in erster Linie politische Antwort auf ein politisches Problem. Den (linguistischen) Rest kriegen wir dann später...

3 Argumente für den Gebrauch des umfassenden Femininums, d. h. für die Totale Feminisierung

    In den vergangenen Jahren habe ich in Westdeutschland, der Schweiz und Österreich etwa 500 Vorträge zum Thema »Sprache, Geschlecht und Macht« gehalten, üblicherweise vor Auditorien von 50 bis zu 600 Personen. Das zentrale Anliegen in den jeweils sich anschließenden Diskussionen war immer die Frage: Was sollen wir nun praktisch tun? — eine Frage, die sich so für Englischsprachige überhaupt nicht stellt, weil ihre Lösung der partiellen Feminisierung ja so leicht durchführbar ist und sich deshalb auch schon längst weitgehend durchgesetzt hat. Es ist an der Zeit, daß die europäische Frauenbewegung sich diesbezüglich von ihrem Anglozentrismus emanzipiert.
    In den Diskussionen bestand und besteht Einigkeit über folgende Punkte:

    1. Der Gebrauch des generischen Maskulinums wird entschieden abgelehnt.

    2. Die konsequente partielle Feminisierung (das sogenannte Splitting, neuerdings auch »die Doppelform« genannt) wird als so umständlich empfunden, daß die Mehrheit ihr langfristig kaum Chancen einräumt. Trotzdem wird derzeit viel Energie darauf verwendet, sie zu praktizieren und zu propagieren, weil andere/bessere Lösungen bisher nicht gefunden worden sind. Die obersten Behörden der Bundesländer Hessen und Bremen haben 1985 sogar in Runderlassen die Abschaffung der maskulinen Oberbegriffe angeordnet — ein immerhin erstaunlicher Erfolg zäher feministischer Sprachpolitik. Allerdings untergräbt es die »Kampfmoral« erheblich, daß Frauen dem stereotyp und hämisch vorgebrachten Einwand der Männer, diese Lösung führe zu »unerträglichen Schwerfälligkeiten«, insgeheim zustimmen. — Leider kommen bei solchen Kontroversen bisher nur wenige Frauen auf die Idee, das ständige Miterwähnen der Männer für unzumutbar zu erklären.

    3. Gewünscht wird eigentlich eine Sprache, die sowohl echt geschlechtsabstrahierende als auch geschlechtsspezifizierende Ausdrucksmöglichkeiten besitzt, und zwar in der Form, daß erstens keines der beiden Geschlechter sprachlich benachteiligt wird und zweitens alle die Sprache als »bequem« und »nicht schwerfällig« empfinden. Im Grunde ist dies ja eine Mindest-Anforderung, wie sie an jede anständige Sprache, die ihren Namen verdient, zu stellen wäre: Sie soll gerecht und bequem sein! Wie jedoch unsere überkommenen, durch und durch patriarchalischen Genus-Sprachen der Erfüllung auch nur der Mindestanforderung näherzubringen sind, bleibt einstweilen unklar.

    Angesichts des sprachpolitisch bisher Erreichten (hohe Sensibilisierung, Beurteilung der partiellen Feminisierung als nicht optimal, sondern bestenfalls als »kleineres Übel«) ist es offenbar Zeit für eine nüchterne Strategie-Diskussion, die ich hiermit einleiten möchte. Ich bin der Ansicht, daß sich die Totale Feminisierung als natürliche Übergangslösung — so etwa für die nächsten zwei-, dreitausend Jährchen — anbietet. Von einer »radikalen Minderheit« (ich schließe mich ein) wird sie bereits seit langem konsequent praktiziert und propagiert. Von Männern wird sie — natürlich — vehement abgelehnt, von den meisten Frauen ebenso, denn unsere Fähigkeit und Bereitschaft, uns in gekränkte Männer einzufühlen, ist enorm, die Fähigkeit, die eigene krasse Benachteiligung zu erkennen, dagegen völlig unterentwickelt. Häufigstes Argument der Frauen gegen diese Strategie ist: Wenn wir den Spieß umdrehen, gewinnen wir nichts. Wir ziehen nur denselben Vorwurf auf

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