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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F Pusch
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partielle Feminisierung, damit aus Männersprachen humane Sprachen werden.
    Die Methode der gezielten Regelverletzung gilt auch hier uneingeschränkt; sie ist aber nicht nur Mittel der Erkenntnisgewinnung, sondern auch Mittel der feministischen Sprachpolitik. Als Linguistin erfinde ich meine ungrammatischen Sätze und Formen nur, um mir die verborgenen Gesetzmäßigkeiten besser klarzumachen. Als feministische Linguistin lehne ich einen Teil dieser »verborgenen Gesetzmäßigkeiten« ab (nämlich die geronnenen Sexismen) und setze meine »ungrammatischen« Erfindungen, gezielte Regelverstöße, beim Sprechen und Schreiben bewußt und so oft wie möglich ein mit dem Ziel, sie als grammatisch zu etablieren' und die alten frauenfeindlichen Gesetzmäßigkeiten allmählich in den Status der »Abweichungen« übergehen zu lassen.
    In der feministischen Systemlinguistik reicht auch nicht mehr das »Verbleiben bei den grammatischen Gegenständen«, das höchstens nebenbei auch mal die bezeichneten Personen, Dinge und Sachverhalte streift. Vielmehr ist der Ausgangspunkt des Forschern jetzt bei den Personen, weiblichen und männlichen, und beim »männlichen« und »weiblichen Lebenszusammenhang« . Ich gehe also »onomasiologisch«, nicht mehr »semasiologisch« vor (so die Fachausdrücke), von den »Dingen« zu den »Wörtern«, nicht umgekehrt.
    Diese Verlegung des Ausgangspunkts hat meine Arbeit erheblich erschwert. Es reicht nicht mehr, daß ich meine Daten erfinde. Vielmehr muß ich sie »finden«, d. h. sammeln und dann sinnvoll ordnen. Mein Problem dabei ist, daß ich zu viel finde, zu viele und verschiedene Sexismen in der Sprache, die mich umgibt, und daß ich die Ordnungsbegriffe und theoretischen Erklärungs- und Beschreibungsmuster für diesen Datenüberfluß weitgehend selbst entwickeln muß, da die herkömmliche Linguistik keine bereithält.

3 Die Hauptunterschiede zwischen der feministischen Systemlinguistik und anderen feministischen Wissenschaften

3.1 Feministische Systemlinguistik ist keine »Frauenbeforschung«

    Die meisten feministischen Wissenschaftlerinnen forschen »über Frauen«, über die Lage der Hausfrauen, Mütter, Arbeiterinnen, Putzfrauen, Sekretärinnen, Schauspielerinnen, Schriftstellerinnen, Studentinnen, Wissenschaftlerinnen, Schülerinnen, Patientinnen, Knastinsassinnen usw. in Vergangenheit und Gegenwart. Besonders was die Gegenwart betrifft, ergeben sich daraus vielfältige menschliche und methodische Probleme, die mit dem Machtgefälle zwischen Forscherinnen und »Beforschten« Zusammenhängen. Was die Vergangenheit betrifft (und natürlich auch die Gegenwart), so ergibt sich das Problem des Umgangs mit der Wut und der Trauer über das, was unserem Geschlecht von den Männern angetan wurde und wird. Flammende Wut und lähmende Trauer — wie verträgt sich das mit wissenschaftlicher Forschung? Es verträgt sich, wie wir sehen. Das Konzept von Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit beginnt allmählich, sich zu ändern. »Betroffenheit« wird mehr und mehr — nicht nur in der feministischen Wissenschaft — zur Vorbedingung von Wissenschaft, die diesen Namen verdient. Trotzdem bleibt da das Problem, wie ich als einzelne mit meiner Wut und Trauer am Schreibtisch fertig werde und wie ich mich in der Frage entscheide, ob ich nicht die Wissenschaft hinschmeißen und statt dessen lieber dieser Türkin oder jener Krebspatientin, die ich gerade »beforsche«, konkret helfen sollte.
    Mit solchen Problemen habe ich zwar auch zu tun, aber »nur« privat, nicht beruflich, als Linguistin. Weil ich nicht »über Frauen« forsche, sondern nur über Bezeichnungen für Frauen — und Männer (u.a.). Das System dieser Bezeichnungen ist — vom feministischen Standpunkt aus betrachtet — einfach absurd, »komisch«, verrückt. Nur — es lacht niemand darüber: »When everything is bizarre, nothing seems bizarre .« 3 Deshalb betrachte ich es als eine meiner Aufgaben, nicht nur wissenschaftlich nachzuweisen, wie verrückt die Sprache in diesem zentralen Bereich ist, sondern das möglichst auch so zu tun, daß darüber endlich gelacht wird, denn: »There is nothing like the sound of women really laughing. The roaring laughter of women is like the roaring of the eternal sea .« 4
    Kurz — mein Forschungsgegenstand, Sprache (und oft genug auch die Erzeugnisse männlicher Sprachwissenschaftler), schreit/ schreien geradezu nach Satire. Andere Bearbeitungsmodi scheinen mir meistens schlicht unangemessen. —

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