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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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bestimmt«?
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Ja, Emmi, ich bin sauer, sehr sogar! DU HÄTTEST MIR VORHER SAGEN MÜSSEN, dass du Jonas mitnimmst! Dann hätte ich mich darauf einstellen können.
     
    Fünf Minuten später
    RE:
    Dann hättest du unser Treffen abgesagt. Und ich wäre enttäuscht gewesen. So bin ich beeindruckt von dir, wie wacker du dich geschlagen hast, wie aufmerksam du ihm zugehört hast, wie lieb du zu ihm warst. Ist doch besser, oder? Jonas ist jedenfalls sehr angetan von dir.
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Das wird seinen Papa aber freuen!
     
    Acht Minuten später
    RE:
    Leo, unterschätze Bernhard nicht. Er betrachtet dich längst nicht mehr als Konkurrenten. Wir haben klare Verhältnisse. Endlich haben wir sie! Wir führen, und wenn es in deinen Ohren auch noch so desillusionierend klingen mag, eine »Vernunftpartnerschaft«. Die führen wir wieder. Und die führen wir gut! Denn eine Partnerschaft kann über kurz oder lang nur eine Vernunftpartnerschaft sein, alles andere wäre so, so,so – unvernünftig, partnerschaftlich gesehen, wenn du verstehst.
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Und ich bin euer neu auserkorenes Vernunftpartnerschaftsmitglied. Kannst du mir bei Gelegenheit einmal verraten, welche Funktion ich in eurem Vernunftgefüge innehabe? Soll ich mich nach der virtuellen Betreuung der Mama nun mehr auf den Sohn konzentrieren?
     
    Eine Minute später
    RE:
    Lieber Leo, war diese Stunde mit Jonas wirklich so schlimm? Glaube mir, es hat ihm gut getan, dich einmal zu sehen und mit dir zu plaudern. Deine Ausführungen über die Foltermethoden im Mittelalter hat er echt klasse gefunden. Davon will er noch mehr hören.
     
    Sieben Minuten später
    AW:
    Das freut mich, Emmi. Er ist auch ein netter Bursche. Aber wenn ich ehrlich bin, wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, vermutlich wirst du das nicht verstehen, keine Vernunftpartnerschaftsfrau mit Vernunftpartnerschaftskindern würde das verstehen, es ist ja auch absurd, es ist anmaßend, überheblich, ja größenwahnsinnig, ein Tick von mir, hirnrissig, absolut weltfremd, abgehoben, außerirdisch. Egal, ich sage es trotzdem: Eigentlich wollte ich DICH sehen und mit DIR reden, Emmi. Deshalb hatte ich mit DIR ein Treffen vereinbart. Mit DIR zu zweit.
     
    Zwei Minuten später
    RE:
    Gesehen haben wir uns ja (sehr zu meiner Freude). Und dasReden können wir nachholen. Hast du nächste Woche Zeit? Dienstag, Mittwoch, Donnerstag? Vielleicht sogar einmal ein bisschen länger?
     
    Drei Stunden später
    Betreff: Hallo
    Hallo Leo, studierst du noch immer deinen Terminkalender?
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Nächste Woche fliege ich mit Pamela nach Boston.
     
    Drei Minute später
    RE:
    Ah! Ah so. Aha. Mhm. Verstehe! Etwas Ernstes?
     
    Eine Minute später
    AW:
    Davon, zum Beispiel, hätte ich dir ganz gerne erzählt.
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Dann drucks nicht herum, tue es einfach! Schriftlich!
     
    Zehn Minuten später
    Kein Betreff
    Bitte! (Bitte, bitte, bitte!)
     
    Eine Stunde später
    Kein Betreff
    Okay, dann tu es nicht und sei beleidigt! Steht dir gut, Leo! Ich liebe beleidigte Männer. Ich finde sie wahnsinnig erotisch. Sie halten den Spitzenplatz auf meiner Eros-Tabelle: Autorenn-Männer, Ferienmessen-Männer, Sandalen-Männer, Bierzelt-Männer und beleidigte Männer! Gute Nacht.
     
    Am nächsten Abend
    Betreff: Alles-Illusion
    Hallo Emmi, es ist nicht so einfach, dir meine Situation zu erklären, aber ich versuche es. Ich beginne mit einem Emmi-Zitat: »Alles kann einem ein einziger Mensch nicht geben.« Du hast Recht. Sehr klug. Sehr einsichtig. Sehr vernünftig. Mit dieser Erkenntnis im Hinterkopf läuft man nie Gefahr, zu viel vom anderen zu verlangen. Und man selbst darf sich ruhigen Gewissens mit Einzelbeiträgen zu dessen Glück begnügen. Das spart Energien für schwere Zeiten. So lässt es sich gemeinsam leben. So lässt es sich heiraten. So lässt es sich Kinder großziehen. So lassen sich Versprechen einlösen, so lassen sich »Vernunftpartnerschaften« aufbauen, festigen, vernachlässigen, aus dem Schlaf reißen, retten, wieder neu beginnen, über Krisen bringen, durchziehen. Große Aufgaben! Ich habe Respekt davor, ehrlich. Allein: So kann ich nicht, so will ich nicht, so denke ich nicht, so ticke ich nicht. Ich bin zwar schon erwachsen und immerhin zwei Jahre älter als du, aber ich habe SIE noch immer, und ich bin (noch) nicht bereit, von ihr abzurücken: von der »Alles-Illusion«. Die Realität: »Alles kann einem ein

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