Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Tränen dieser Erde

Alle Tränen dieser Erde

Titel: Alle Tränen dieser Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
seinen nutzlosen Ornamenten, seinem massiven Vorbau, starrte ihn finster an wie ein verlassener Hochzeitskuchen.
    Augenblicklich regte sich etwas. Drei fahrbare Roboter näherten sich aus verschiedenen Richtungen und richteten leichte Atomwaffen auf ihn.
    Uneingeladen kam hier niemand herein, dachte Smithiao. Gunpat war kein freundlicher Mann, selbst nach den unfreundlichen Maßstäben seiner Zeit.
    »Sagen Sie, wer Sie sind«, forderte ihn die erste Maschine auf. Sie war häßlich und flach und glich fast einer Kröte.
    »Ich bin J. Smithiao, Psychodynamiker von Charles Gunpat«, erwiderte Smithiao; diesem Verhör mußte er sich bei jedem Besuch unterziehen. Er zeigte der Maschine sein Gesicht. Sie brummte vor sich hin und verglich Bild und Information mit ihrem Gedächtnis.
    »Sie sind J. Smithiao, Psychodynamiker von Charles Gunpat«, bestätigte sie endlich. »Was wollen Sie?«
    Smithiao verfluchte im stillen die Langsamkeit des Roboters und sagte: »Ich habe um zehn Uhr einen Termin bei Charles Gunpat.«
    »Sie haben um zehn Uhr einen Termin bei Charles Gunpat«, bestätigte die Maschine nach einer Pause. »Kommen Sie mit.«
    Der Roboter drehte sich mit erstaunlicher Behendigkeit, sprach die beiden anderen Roboter an, beruhigte sie und wiederholte mechanisch: »Das ist J. Smithiao, Psychodynamiker von Charles Gunpat. Er hat um zehn Uhr einen Termin bei Charles Gunpat.« Für den Fall, daß sie das noch nicht begriffen hatten.
    Inzwischen sagte Smithiao ein paar Worte zu seinem Fluggerät. Ein Teil der Kabine, darin er, löste sich vom Rest und ließ Räder auf den Boden hinab, verwandelt in eine fahrbare Limousine. Mit Smithiao folgte sie den drei Robotern.
    Automatische Schutzblenden schoben sich vor den Fenstern hoch, als Smithiao in den Bereich anderer Menschen trat. Er konnte sehen und gesehen werden nur über Teleschirme. So groß war der Haß (gleich Furcht), den der Mensch für seinen Mitmenschen empfand, daß er es nicht ertragen konnte, direkt betrachtet zu werden.
    Eine nach der anderen stiegen die Maschinen die Terrassen hinauf, durch den großen Vorbau, wo sie von einem Desinfektionsnebel eingehüllt wurden, durch ein Labyrinth von Gängen, und so vor Charles Gunpat.
    Gunpats dunkles Gesicht auf dem Bildschirm seiner Limousine zeigte nur den mildesten Widerwillen beim Anblick seines Psychodynamikers. Er war meistens so beherrscht wie jetzt: das sprach bei seinen geschäftlichen Besprechungen gegen ihn, wo es darauf ankam, durch großartige Wutanfälle seine Gegner einzuschüchtern. Aus diesem Grund wurde Smithiao stets dann, wenn auf dem Tagesplan etwas Wichtiges stand, geholt, um eine Haß-Stütze anzupassen.
    Smithiaos Maschine steuerte ihn bis auf einen Meter an das Bild seines Patienten, viel näher, als die Höflichkeit es verlangte.
    »Ich habe mich verspätet«, begann Smithiao sachlich, »weil ich es nicht ertragen konnte, mich eine Minute früher in Ihre widerwärtige Gegenwart zu schleppen. Ich hoffe, wenn ich lange genug zögerte, könnte ein glücklicher Zufall die stupide Nase aus Ihrem – wie soll ich es nennen? – Gesicht entfernen. Leider ist sie noch da, mit ihren zwei Nasenöffnungen, die wie Rattenlöcher in Ihren Schädel führen. Ich habe mich oft gefragt, Gunpat: Bleiben Sie mit Ihren großen Füßen nicht oft darin hängen und fallen auf Ihr – Gesicht?«
    Smithiao betrachtete das Gesicht seines Patienten prüfend und sah nur eine schwache Andeutung von Gereiztheit. Kein Zweifel, Gunpat war schwer aufzubringen. Zum Glück war Smithiao ein Experte auf seinem Gebiet; er versuchte es mit der versteckten Beleidigung.
    »Aber hinfallen können Sie ja nicht«, fuhr er fort, »weil Sie so deprimierend unwissend sind, daß Sie oben und unten nicht unterscheiden können. Sie wissen nicht einmal, wie viele Roboter fünf ergeben. Als Sie an der Reihe waren, zum Paarungszentrum in die Hauptstadt zu fahren, haben Sie nicht einmal begriffen, daß das die eine Gelegenheit war, bei der ein Mann hinter seinen Schutzblenden hervorkommen muß. Sie dachten, Sie könnten Fernliebe betreiben! Und was war das Ergebnis? Eine verrückte Tochter… eine verrückte Tochter, Gunpat! Überlegen Sie sich, wie Ihre Rivalen bei Automotion darüber kichern, Freundchen. ›Der schlappe Gunpat und seine bekloppte Tochter‹, werden sie sagen. ›Seine Gene kann man nicht beeinflussen‹, werden sie sagen.«
    Die höhnischen Bemerkungen hatten die gewünschte Wirkung. Das Bild von Gunpats Gesicht rötete sich

Weitere Kostenlose Bücher