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Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu

Titel: Allein unter 1,3 Milliarden: Eine chinesische Reise von Shanghai bis Kathmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Y. Schmidt
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und habe einen festen Plan: Ich will in drei Monaten die komplette Nationalstraße 318 bereisen. Die Chinesen nennen die Straße Feng Gu, was wörtlich Windknochen bedeutet und wahrscheinlich so etwas wie Rückgrat meint. Der Name passt, denn die Straße scheint tatsächlich das ganze Riesenreich zusammenzuhalten. Es ist die längste Ost-West-Straßenverbindung Chinas, so etwas wie die chinesische Route 66, allerdings mit 5386 Kilometern mehr als tausend Kilometer länger als die amerikanische Straßenikone. Die Nationalstraße 318 beginnt in Shanghai und verläuft zunächst parallel zum größten chinesischen Fluss, dem Jangtse. Dann durchschneidet sie die Ebenen und Bambuswälder Sichuans und steigt schließlich über fünftausend Meter hinauf ins tibetische Hochland. Hier wird die 318 zum berüchtigten Sichuan-Tibet-Highway, zu Teilen auch heute noch mehr Piste als echte Straße. Ab der tibetischen Hauptstadt Lhasa trägt die Straße dann den Beinamen China-Nepal Friendship Highway, passiert kurz vor Schluss noch den Mount Everest und endet bei Zhangmu an der nepalesischen Grenze. Eine chinesischere Straße gibt es nicht.
    Damit es aber garantiert eine echt chinesische Reise wird, habe ich mir vorgenommen, die Strecke allein zu bereisen, in normalen Überlandbussen. Nur so bin ich davor gefeit, unterwegs wieder in meinen Ausländertrott zu verfallen. Allerdings habe ich ein bisschen Schiss. Ich bin bisher noch nie allein in China gereist, sondern immer nur zusammen mit meiner Frau. Sie hat mir alles abgenommen: Ticket kaufen, nach dem Weg fragen, Speisekarten lesen. Ich bin hierzulande ein Analphabet, und das macht einem Kontroll-und Zwangsleser wie mir große Sorgen. Wie soll ich wissen, wohin ein Bus fährt, wenn ich weder Schilder lesen kann noch Fahrkarten? In Shanghai muss ich mir darüber allerdings noch nicht den Kopf zerbrechen. Ich bin schon ein paar Mal in der Stadt gewesen und kenne ein paar Leute. Da fängt das große Abenteuer ein paar Nummern kleiner an.

Im Expatsumpf
In Shanghai droht das Projekt zu scheitern, bevor es begonnen hat. Ein rappender Professor, eine amerikanische Tierschützerin, ein deutsch-ungarischer Architekt, Mädchen in Miniröcken und der deutsche Bundespräsident wollen verhindern, dass unser Held weiterzieht. Es gelingt ihm aber trotzdem.
    Einer meiner Bekannten ist Peter, ein Architekt, der in Berlin, Budapest, Paris, New York und noch zehn Städten gelebt hat und in Shanghai hängengeblieben ist, «weil man», wie er sagt, «zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur in China leben kann». Er hat mich eingeladen, in einem der Häuser, die er ausbaut, zu wohnen. Ich kenne das Haus schon, denn Peter hat es mir bei meinem letzten Besuch gezeigt. Da war es noch eine Baustelle, der totale Rohbau. Es gehört Peters Freund Fred, den ich auch schon mal getroffen habe. Ich habe keine Ahnung, was Fred macht. Ich glaube, er ist der Mann, der den Chinesen die ganze europäische Milch verkauft, sodass in Deutschland die Milchpreise steigen. Fred ist auf Dienstreise, hatte Peter mir gemailt. Und dass er nichts dagegen hat, wenn ich eine Zeitlang in seinem Haus wohne.
    Der Zug fährt auf die Minute pünktlich in den Bahnhof von Shanghai ein. Und das bei einer Distanz von tausendzweihundert Kilometern, das soll die Deutsche Bahn erst mal nachmachen. Ich nehme ein Taxi in die französische Konzession, das frühere französische Viertel im Südwesten der Stadt. Freds Haus steht abseits der Hauptstraße in einer Gasse, die auch irgendwo in Südfrankreich sein könnte. Kleine Palmen wachsen in den Vorgärten, und einige der Hauseingänge werden von Papageien bewacht.
    Peter begrüßt mich kurz und trocken, wie sich das gehört, und führt mich erst einmal stolz durchs Haus, das noch nicht ganz fertig ist, aber fast. Es ist sehr schön geworden. Der Fußboden ist aus Teak, das aus alten Tempeln stammt, die Bäder sind mit weißem Bisazza verkleidet, und in einem gläsernen Lichtschacht wächst Bambus vom Erdgeschoss bis zur Dachterrasse. Am meisten imponiert mir das Zickzack-Treppenhaus, das aussieht, als sei es aus einem Bild von M. C. Escher gefallen. Peter erklärt: «Ich habe die Treppe dreimal angefangen, bis sie passte.» – «Dafür», lobe ich, «ist sie jetzt perfekt.» – «Ja. Vergiss das neue Olympiastadion in Peking, den CCTV-Tower von Rem Kohlhaas, das Nationaltheater am Tian An Men von diesem Franzosen. Die Entwürfe sind okay. Aber sie wurden miserabel ausgeführt. Es gibt nur ein

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