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Allem, was gestorben war

Allem, was gestorben war

Titel: Allem, was gestorben war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Prolog
    Eine Sekunde bevor der Gesang an den Wänden der Kapelle aufstieg, dachte er an Tod. Fünfundzwanzig vor Erregung zitternde Kinder waren von den Bänken aufgestanden, nach vorn gegangen und hatten sich unterhalb der Kanzel aufgestellt. Seine Tochter, die blonden Haare zu zwei Rattenschwänzen hochgebunden, hatte soeben das fünfte Jahr beendet in einer Schule, die einmal Europas beste werden sollte. Sie trug ein Kleid, das er noch nicht gesehen hatte, blau wie der Himmel an einem frühen Sommermorgen. Blau wie die Farbe der Erwartung. Groß und dünn, die Vierte von links. Wie viel war im letzten Jahr geschehen!
    Danach würde er, wie früher auch, mitgehen auf die Wiese hinter der Schule, zu Kaffee und Hefekuchen. Er würde hier und da ein freundliches Wort mit Lehrern und anderen Eltern wechseln. Jemand würde Akkordeon spielen, und er würde ein Weilchen bleiben, sich dann erheben und den Hügel zwischen den hübschen Häusern hinuntergehen. Noch kein ganzes Jahr, aber die Scheidung tat immer noch weh, der Schmerz wollte nicht nachlassen.
    Die Blütenzeit ist 'kommen, und er sang mit und sah das Grün draußen sanft gegen die in Blei gefassten Scheiben schlagen. Seine Tochter sah froh aus, mit Lust und Farbenpracht, sie wusste, dass ein ganzer Sommer vor ihr lag, wenn das Singen und die Reden vorbei waren. Er wusste, wie sehr sie darauf wartete, jetzt nahst du, liebe Sommerzeit, und er musste sein kaltes Herz mit warmen Umschlägen schützen, wenn er in der kommenden Zeit, wenn Gras und Samen sprießen, der Familie nahe sein wollte, die er immer noch hatte. Er hatte die Kinder.
    Jonathan Wide drehte den Kopf etwas nach links, um besser sehen zu können. Er stand ganz hinten, und es war eng in der Kapelle von Sankta Birgitta in West-Göteborg.
    Das alles gehörte dazu: der wenige Platz unter dem hohen Gewölbe, das Nicken und Lächeln und all die bekannten Gesichter, diese gewisse Mischung von Stille und Gesang, die zum Schulabschluss gehört. Ernst und Freude, der verhaltene Applaus im Haus des Herrn.
    Nachdem er einige Minuten auf Zehenspitzen gestanden hatte, begannen seine Waden zu schmerzen. Aber er konnte es aushalten, hätte gern noch eine Weile so gestanden und versucht, die Freude bei sich und den Ernst auf Abstand zu halten. Er schämte sich des kurzen Gedankens an den Tod, er sah seine Tochter leuchten. Das war etwas, an das man sich halten sollte. Die hellen Kinderstimmen sangen jetzt das Sommerlied von Klein Ida aus Lönneberga, der schwedische Inbegriff von Sonne und Wind, Wasser und Freiheit. Das Lied stieg von der Stelle auf, wo die Kinder standen, glitt durch den Raum und kraftvoll weiter zu den offenen Türen hinaus, sank langsam den Hügel hinab, auf dem die Kapelle wie eine kleine Kathedrale für Seefahrer stand - dem Fluss zugewandt und dem spärlichen Schiffsverkehr am frühen Morgen.

1
    Der Mann war gut gekleidet. In der Wahl des hellen Sommeranzuges, der Weste, dem diskreten Rostrot der Krawatte lag eine Andeutung von konservativem Geschmack. Er hatte sich nie von den modernen Krawatten angezogen gefühlt, die manche Männer gern trugen, grelle Farben, Symbole, die vielleicht Spiel und Lust vermitteln sollten hinter dem im Übrigen strikten Äußeren.
    Wenn es stimmt, dass Kleider Leute machen, dann war dieser Mann gut gelungen.
    Er saß auf einer Bank an der Uferpromenade nahe Nya Varvet im westlichen Teil der Stadt. Der frühe Morgen war schon ziemlich warm. Die Wärme stieg langsam auf, bald würde der Asphalt der Promenade weich werden und die Luft darüber flirren. Im Lauf des Tages würden sich die Steine neben dem Asphalt so erhitzen, dass man unmöglich darauf sitzen konnte. Um die Mittagszeit war es hier fast unerträglich.
    Am anderen Flussufer leuchteten die Öltanks wie kalte Sonnen, der Wind trug den kräftigen Geruch nach raffiniertem Öl ans südliche Ufer. Von dort, wo der Mann saß, konnte man das Meer im Westen ahnen, der Fluss weitete sich zum offenen Wasser und befreite sich von der brachliegenden Kleinindustrie und den verrosteten Bugsierschiffen, die sich früher ängstlich an seinen Ufern festgeklammert hatten.
    Der Wind kam und ging in schwachen Böen. Er brachte die Frisur des Mannes in Unordnung, die Lage der sorgfältig gekämmten Wellen wurde wieder und wieder verändert.
    Er unternahm nichts gegen sein wechselndes Aussehen. Er starrte intensiv nach Norden, über den Fluss, zum Widerlager der Älvsborgsbrücke auf der Hisingeseite. Schon seit zwei Stunden

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