Aller Heiligen Fluch
organisiert.»
«Len fand den Tag der offenen Tür schrecklich. Er sagt, so etwas macht die Pferde ganz nervös.»
«Vergiss Len. Dieser elende Mistkerl. Das war doch ein voller Erfolg. Du verdienst mehr Anerkennung für das, was du machst.»
«Ich weiß. Es ist nur … im Moment ist alles sehr schwierig. Dad streitet ständig mit Randolph, und Randolph hängt rum und macht Dad damit noch wahnsinniger. Inzwischen reitet er nicht mal mehr, hockt nur da, guckt Nachmittagsfernsehen und fängt schon mittags mit dem Wodka an.»
«Was ist denn mit deiner Mutter?»
«Die ist nie da. Entweder sie arbeitet, oder sie ist mit ihren Freunden unterwegs. Und für den Rennstall interessiert sie sich sowieso nicht. Sie findet es grausam, Pferde zum Rennen zu treiben, weil sie draußen auf der Koppel auch nicht über Hindernisse springen, sondern nur, wenn ihnen einer auf dem Rücken sitzt und sie antreibt.»
«Da hat sie nicht unrecht.» Trace wirft einen Blick auf die Uhr. Sie hat Mitleid mit ihrer Freundin, aber keine Lust, sich den ganzen Abend anzuhören, wie Caroline über Pferde schwafelt. Alles hat seine Grenzen. Außerdem möchte sie noch einmal singen.
«Aber nein», widerspricht Caroline mit großem Ernst. «Pferde lieben das Rennen. Das liegt ihnen im Blut.»
«Dir aber vielleicht nicht. Du bist gereist, hast jede Menge andere Erfahrungen gesammelt. Warum ziehst du nicht einfach aus und suchst dir eine andere Stelle, möglichst weit weg? Vergiss deine Eltern und Randolph.»
Caroline setzt eine abweisende, verstockte Miene auf.
«Das geht nicht. Es gibt da noch Dinge, die ich tun muss.»
Trace will gerade fragen, was das denn für Dinge sind, da kommt ein Stallmädchen namens Georgina an ihren Tisch und fragt, ob sie mit ihr zu dritt
Material Girl
singen wollen. Trace ist sofort Feuer und Flamme; sie war schon immer der Ansicht, dass sie eine ganze Menge mit Madonna gemeinsam hat.
Danforth Smith seinerseits findet keinen Schlaf. Sonst fällt er immer um zehn ins Bett, erschöpft von der körperlich anstrengenden Arbeit des Tages. Romilly, seine Frau, schläft in einem anderen Zimmer und ist ohnehin wieder mal «mit Freunden» unterwegs. Vor kurzem ist Danforth klargeworden, dass er keinen einzigen dieser Freunde seiner Frau mehr kennt. Als er auf ihre Facebook-Seite geschaut hat, sagte ihm nicht einmal die Hälfte der Namen etwas. «Berufliche Bekanntschaften», kommentierte seine Frau leichthin, doch falls das stimmt, dann schicken diese beruflichen Bekanntschaften doch sehr berufsferne Nachrichten («Hab dich lieb, Schatz!») und posten Fotos, die sie oben ohne am Strand auf den Malediven zeigen. Romilly hat ihr eigenes Leben, ihre eigene Arbeit (als Innenarchitektin), ihre eigenen Freunde und ihr eigenes Konto. Morgens um neun verlässt sie mit ihrem weißen Fiat 500 das Haus und kommt abends um sechs zurück, wenn Danforth gerade mit der Abendfütterung beschäftigt ist. Später geht sie meistens noch einmal weg, um auf diversen Künstler-Partys zu «networken». Danforth isst für gewöhnlich mit seiner Stallbelegschaft; wenn Romilly einmal zu Hause ist, verzehrt sie ihr Abendessen mit Randolph vor dem Fernseher. Sie kommt sehr viel besser mit Randolph aus als er. «Er macht eine kreative Pause», erwidert sie, wann immer er auf den gemeinsamen Sohn zu sprechen kommt. «Eine kreative Pause? Er ist doch kein Schauspieler.» – «Vielleicht wird er das noch», kontert Romilly. «Zumindest überlegt er, Stunden zu nehmen.» Und Danforth stapft voller Verachtung in Richtung seiner Ställe davon. Seiner Ansicht nach ist «Stunden nehmen» nur ein Euphemismus für Arbeitslosigkeit.
Romilly also ist wieder irgendwo unterwegs und diskutiert über französische Filme und italienische Weine (Danforths Vorstellung von solchen Anlässen basiert noch immer auf den Artikeln aus den Zeitschriften, die ihm sein Kindermädchen in den Fünfzigern vorgelesen hat), und er wälzt sich in dem alten Doppelbett herum, das noch von seinen Eltern stammt. Er steht auf, geht aufs Klo, trinkt einen Schluck Wasser, versucht, sich im Kopf Stammbäume aufzusagen. Es ist ganz still im Haus; hin und wieder hört er ein Stampfen oder Wiehern aus den Stallungen, doch das sind eigentlich beruhigende Geräusche, die ihm sonst immer das Gefühl geben, dass alles in bester Ordnung ist. Weshalb hat er dann heute Abend das Gefühl, dass alles ganz und gar nicht in bester Ordnung ist? Etwa wegen dem armen Neil? Natürlich bedauert er den
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