Aller Heiligen Fluch
zornig sie auf ihn gewesen ist, wie sehr er sie frustriert hat, wie gern sie geflüchtet wäre, zurück in ihre geliebten roten Täler, um etwas Sinnvolles mit ihrem Leben anzufangen. Die Begegnung mit Cathbad war ihre Rettung. Er hat ihr in Erinnerung gerufen, dass es größere Anliegen und wichtigere Dinge gibt als die Frage, welches Pferd bei welchem Rennen mitläuft oder ob Jumping Jack mit Scheuklappen erfolgreicher wäre. Und deshalb kann sie jetzt auch nicht einfach weglaufen, so gern sie das manchmal auch täte. Sie hat noch Größeres vor sich …
«Hallo, Caro.» Randolph steht in der Tür. Er sieht blass und unrasiert aus, und sie meint, Whisky in seinem Atem zu riechen. Wohlweislich fragt sie ihn nicht, wo er jetzt herkommt.
«Hi, Dolph.»
«Wo ist Tammy?»
«Drüben im Haus, bei Mum. Sie haben den Bestatter da.»
Randolph lässt sich in den Sessel auf der anderen Seite des Schreibtischs sinken und streicht sich mit leicht zittriger Hand das Haar aus der Stirn. «Ist das nicht ein bisschen flott?», fragt er. «Er ist doch erst letzte Nacht gestorben. Vor ein paar Stunden.»
«Hör auf.» Caroline schaut über den Hof zum Haus hinüber. «Ich kann es immer noch nicht fassen.»
«Ich auch nicht. Ich denke die ganze Zeit, gleich kommt er an und erzählt mir, was für ein missratener Sohn ich bin.»
«Er hat dich doch geliebt.» Selbst für Carolines eigene Ohren klingt das wenig überzeugend.
«Klar.» Randolph sinkt noch tiefer in den Sessel.
«Frag mal mich. Das Letzte, was ich zu ihm gesagt habe, war, ich würde ihm niemals verzeihen.»
«Im Ernst?» Randolphs blaue Augen blitzen sie an. «Warum hast du das denn gesagt?»
«Ach, so halt.» Caroline wendet sich wieder ihren Akten zu. «Ich will damit nur sagen, dass wir uns alle irgendwie schuldig fühlen. Ich weiß, dass Mum glaubt, sie hätte ihn wegen ihrer Firma und ihren Tierschutzfreunden vernachlässigt.»
«Quatsch. Sie hat ihn doch immer unterstützt.» Randolph nimmt seine Mutter grundsätzlich in Schutz.
«Na, jedenfalls fühlen wir uns alle furchtbar.»
«Bis auf Tamsin. Unser Fräulein Fabelhaft.»
«Sie ist sicher auch am Boden zerstört wegen Dad», sagt Caroline in zweifelndem Ton.
«Meinst du?» Randolph streichelt Lester, der ihm gerade auf den Schoß gesprungen ist. «Na, wenn du’s sagst. Was hat denn diese Polizistin heute früh gewollt?»
«Sie wollte sich die Überwachungsbänder ansehen.»
«Und, hat sie was gefunden?»
«Keine Ahnung.»
«Irgendwie wirkst du nervös», neckt Randolph sie. «Was hast du wieder draußen im Wald getrieben?»
«Hör auf mit dem Scheiß, Dolph. Was ist mit dir?»
«Was soll das heißen, was ist mit mir?»
«Was hast du draußen im Wald getrieben?»
Sie fixieren einander, blaue Augen auf der einen, braune auf der anderen Seite. Dann steht Randolph auf und verlässt das Büro.
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19
Die Elginisten-Tagung findet im Versammlungshaus der Quäker-Gemeinde in Great Yarmouth statt. Bisher hat Ruth Yarmouth immer gemieden, weil sie es für eine Art Ostküsten-Blackpool voller Achterbahnen und betrunkener Urlauber hielt. Einmal hat Nelson versucht, sie zu überzeugen, dass Blackpool ganz anders ist; er meinte, es habe ein wunderschönes Umland. Aber Ruth hat sich nicht überzeugen lassen. Sie hat ihre Küsten gern einsam, kilometerlange verlassene Sandstrände, auf denen es nicht von Eseln mit lustigen Hüten wimmelt. Umso überraschter ist sie, als das Quäkerhaus sich als hübsches, weiß gestrichenes Gebäude aus dem 17 . Jahrhundert entpuppt. Wenn man schon unbedingt eine Religion haben muss, denkt Ruth, während sie durch den schattigen Garten geht, kann man eigentlich auch zu den Quäkern gehen. Sie sind unhierarchisch, gleichberechtigt und pazifistisch. Doch eine Tafel in der Eingangshalle ruft ihr eine ältere, um einiges blutigere Religion in Erinnerung. Das Haus, liest sie dort, wurde auf dem Gelände eines mittelalterlichen Klosters des Augustinerordens errichtet. Ruth muss an Bischof Augustine denken und an Mutter Juliana, die anachoretische Mystikerin. Die Tafel informiert sie außerdem darüber, dass Anna Sewell, die Autorin von
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, hier an den Andachten teilgenommen hat. Ruth, die eine Schwäche für Pferdebücher hat, sieht dem Tag zunehmend wohlwollend entgegen.
Es hat sie einige Mühe gekostet, pünktlich hier zu sein. Obwohl Kate bereits um sechs wach und tatendurstig war, ist Ruth trotzdem wie eine Irre durchs Haus gerannt, um
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