Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
– dicken Autos, Yachten, Plasmafernsehern und Reisen rund um die Welt. DieseTrostpreise lenken uns zwar vorübergehend von unserer Unzufriedenheit ab, aber sie bringen sie nicht zum Verschwinden.
Und nicht genug damit, dass wir jahrelang geschuftet haben, um uns einen Lebensstil leisten zu können, der uns nicht einmal gefällt, jetzt dämmert uns auch allmählich – hoffe ich zumindest –, dass dieser Lebensstil den Planeten vernichtet. Wir erfahren, dass die Erderwärmung unter anderem Malariaepidemien, sintflutartige Regenfälle und Orkane ungekannten Ausmaßes auslöst, außerdem einen Anstieg des Meeresspiegels, der zahllose Wohngebiete zerstören wird.
An jenem sommerlich warmen Wintertag hatte ich das Gefühl, am absoluten Tiefpunkt angekommen zu sein. Zuerst dachte ich, es läge am Zustand der Welt. Doch während ich mit dem Aufzug nach oben fuhr, hatte ich das leise Gefühl, dass es gar nicht darum ging.
Immer wieder hatte ich den Leuten vorgejammert, dass es fünf vor zwölf war. Doch trotz meines Gejammers lebte ich weiter so, als wäre alles in Ordnung. Ich stand auf, brachte meine Tochter Isabella zu ihrem Babysitter, verbrachte den Tag mit Schreiben, holte sie wieder ab, setzte mich vor den Fernseher und ging zu Bett. Und am nächsten Tag dasselbe von vorne. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich irgendwas tun konnte, um die Probleme der Welt zu lösen. Wenn die Regierung schon nichts tat, was sollte ich dann tun? Noch ein Buch über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs schreiben?
Aber war das alles, was ich zu bieten hatte? Wollte ich mich einfach damit abfinden? Wollte ich mich meiner Verzweiflung hingeben und nichts dagegen unternehmen?
Aus irgendeinem Grund ging mir just an diesem Tag plötzlich auf, dass mein Problem gar nicht da draußen lag, sondern in mir selbst. In meiner Tatenlosigkeit. Was mich fertigmachte, war nicht die Welt, sondern meine so wunderbar bequeme vermeintliche Hilflosigkeit.
Tommy hielt den Aufzug im neunten Stock an, wo meineWohnung lag. Es war nur eine Fahrt mit dem Aufzug, wenige Sekunden lang. Und es war nur ein Tag mit über zwanzig Grad, an dem es eigentlich um die null sein sollte. Aber plötzlich beschäftigten mich diese Fragen:
Bin ich wirklich hilflos? Stimmt es, dass jemand wie ich nichts unternehmen kann? Oder bin ich nur zu faul oder zu ängstlich, um es wenigstens zu versuchen?
Aus Winter wurde Sommer – wiederum ohne Frühling dazwischen –, und ich verabredete mich mit meinem Agenten Eric Simonoff zum Mittagessen. Wir gingen ins Beacon im Zentrum von Manhattan, einem Treffpunkt der New Yorker Buchszene. Gläser klirrten, Kollegen grüßten. Wir waren dort, um über mein nächstes Buchprojekt zu sprechen.
»Ich kann nicht mehr über Geschichte schreiben«, sagte ich.
»Erzähl mir nicht, du willst auf Romane umsatteln«, entgegnete er.
Eric ist es gewohnt, Leuten wie mir zu helfen, damit wir wenigstens halbwegs von unserem Schreiben leben können.
»Nein, das will ich nicht«, sagte ich, und dann legte ich mit meinem Dinnerparty-Vortrag über die Erderwärmung los.
Ich erklärte dem armen Eric, der eigentlich in Ruhe sein Mittagessen genießen wollte, dass die Regierung und die großen Firmen trotz der zahllosen warnenden Berichte über den Zustand unserer Umwelt so gut wie nichts unternehmen. Laut diesen Berichten müssen wir unseren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um mindestens achtzig Prozent senken, wenn wir verhindern wollen, dass die Erderwärmung außer Kontrolle gerät. Doch anstatt zu handeln, bringen Firmen wie Exxon mittels hinterhältiger PR-Taktiken die Organisationen, die uns warnen, in Misskredit. Und die Politiker versuchen allen Ernstes, die Erderwärmung wieder als Theorie darzustellen, nicht als Tatsache.
Nicht, dass ich damals geglaubt hätte, ein Demokrat im Weißen Haus würde wesentlich mehr unternehmen, wasdie Umwelt betrifft. Ob man in der Wahlkabine den roten oder den blauen Hebel betätigt, es steht am Ende immer das Big Business dahinter. Und das Big Business hat die Wahlkampftruhen der Politiker ganz sicher nicht mit Dollars gefüllt, um etwas gegen die Erderwärmung zu tun.
»Was tun wir unserem Planeten an, Eric?«, rief ich und fuhr mit meinem Vortrag fort.
Wer sich mit dem Segelboot von Hawaii Richtung Westen aufmacht, stößt nach kurzer Zeit auf eine gigantische Fläche schwimmenden Plastikmülls, fast zweimal so groß wie die Vereinigten Staaten, die sich mitten im Pazifik um sich selbst dreht.
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