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Ein süßer Sommer

Ein süßer Sommer

Titel: Ein süßer Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hammesfahr Petra
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Wenn ich geahnt hätte, was aus all dem wurde, hätte ich wohl kaum kurz nach sieben das Abteil verlassen. Ich wäre geblieben, hätte ihr weiter und sehr aufmerksam zugehört. Doch zu dem Zeitpunkt brandeten mir die Wogen zweier Ozeane durch den Schädel. Mein Gehirn war vermutlich ebenso mit Dünnsäure verklappt wie die Nordsee, länger als drei Stunden an einem Stück hatte Candy schon auf mich eingeredet.
    Zwischen sechs und sieben hatte ich mir in allen Einzelheiten anhören müssen, warum sie sich für Meeresbiologie als Studienfach entschieden hatte und sich gar nicht vorstellen konnte, etwas anderes zu tun. Es hatte nicht nur mit Verbundenheit zu ihrem Geburtsort zu tun. Vordringlich ging es natürlich um die Verschmutzung der Weltmeere. In der Folge kam ein Kapitel über das Robbensterben, den grässlichen Tod der Seevögel und dessen Ursache, das von Ölpest verklebte Gefieder.
    Candy vertrat die radikale Ansicht, dass man die Verursacher nicht mit Geldstrafen belegen, sondern sie vielmehr in der Brühe schwimmen lassen sollte. Natürlich ohne sie wieder herauszufischen. Und das galt prinzipiell für jede Art von Straftat oder Vergehen. In dem Punkt hatte die Bibel ihrer Meinung nach absolut Recht. Auge um Auge! Zahn um Zahn! Nur so war für die Zukunft vielleicht noch etwas zu retten. Dad meinte das auch, und der musste es wissen, jedenfalls soweit es eine Ölpest betraf. Dad war nämlich Meeresbiologe.
    Als Candy begann, mir Dads Ansichten und Beweggründe zu offenbaren, fand ich, dass ich eine Pause verdient hätte. Eine halbe Stunde Ruhe, nur ein bisschen Klappern von Geschirr und Besteck, vielleicht noch dezentes Gemurmel von den Nebentischen.
    Als ich mich erhob und mit dem Hinweis, eine Kleinigkeit zu mir nehmen zu wollen, die Abteiltür zur Seite schob, lächelte sie arglos und erkundigte sich, ob es im Speisewagen tatsächlich so teuer sei, wie man sagte. Als sie anfügte, dass sie sich eigentlich einen ordentlichen Kaffee leisten könne, fürchtete ich schon, sie wolle mich begleiten.
    Aber vielleicht las sie von meiner Miene ab, was ich dachte. Gleich anschließend erklärte sie nämlich, sie müsse mit ihrem Vermögen sparsam umgehen, man wisse ja nicht, was bei einem Europatrip so alles an Ausgaben auf einen zukäme. Sie habe auch keine Lust, ihr Gepäck durch den ganzen Zug zu schleppen, unbeaufsichtigt im Abteil zurücklassen könne man es schließlich nicht. Dann machte sie sich an ihrem Rucksack zu schaffen, kramte einen Apfel und eine Dose Cola hervor, nickte mir kameradschaftlich zu und wünschte mir guten Appetit.
    Meine Reisetasche nahm ich mit, wegen der beiden Pistolen und der Schachtel Munition. Meine Tasche war nicht abzuschließen. Nicht dass ich befürchtet hätte, Candy würde in meinem Gepäck stöbern. Es war Gewohnheit. Sorgsamer Umgang mit Schusswaffen! Hamacher war zwar in diesem Punkt nicht gar so pingelig wie die Polizei. In der Agentur musste man nicht Rechenschaft über jede Patrone geben. Aber trotzdem, ich hatte das vor Jahren einmal gelernt und hielt mich daran.
    Direkt hungrig war ich nicht. Hartmut Bender und ich hatten mit unserem Schützling in München noch üppig zu Mittag gegessen. Ich gönnte mir eine Tasse Kaffee, eine scharf gewürzte Suppe und zwei Aspirin, um den Kopf wieder einigermaßen einsatzfähig zu machen. Während meiner Mahlzeit träumte ich davon, neben einem Chemiker, der meine Anwesenheit als aufdringlich empfand und mich deshalb mit Missachtung strafte, im Flugzeug zu sitzen. Aber da hatte Hartmut Bender gesessen, inzwischen waren sie wohl schon gelandet.

Hinterher weiß Schröder mit Gewissheit, dass er die Katastrophe hätte verhindern können. Aber Liebe macht bekanntlich blind. Im Zug lernt er Candy kennen: jung, süß und lebendiger als jede andere Frau, die er vor ihr kannte. Sie will in Köln einen Freund ihrer todkranken Mutter suchen. Schröder hilft ihr dabei. Und er glaubt bis zuletzt, dass Candy den Gesuchten nur ans Sterbebett ihrer Mutter holen will … 
    ISBN: 3 499 23625 7 
    Verlag: Rowohlt 
    Erscheinungsjahr: 2004 
    Umschlaggestaltung: any.way,
     Cathrin Günther

Autor

     Petra Hammesfahr, geboren 1951, lebt als Schriftstellerin in der Nähe von Köln. Ihre Romane erreichten bisher eine verkaufte Auflage von über zwei Millionen Exemplaren.

1. Kapitel
    Es ist schon so lange her, vierzehn Jahre, und ich träume im immer noch von dem Abend, an dem Candy starb. In der vergangenen Nacht sah ich sie wieder einmal beim

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