Als Helmut Schmidt einmal ...: Kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
seines Ansehens. Er hat letztes Jahr immerhin die RAF erledigt. Der Schmach von Cordoba in diesem Jahr steht der Sieg von Mogadischu gegenüber.
Und jetzt ist er auch noch Strauß losgeworden. Der ist kurz davor, nach Bayern abzuwandern, um nunmehr vom Süden aus statt direkt in Bonn Opposition zu machen. Als Ministerpräsident. Oder, wie Schmidt sagen würde: Anführer »der bayerischen Stämme«.
Doch die Briefe, die Schmidt von urlaubenden Bundesdeutschen bekommt, lesen sich nicht so, wie es sich für einen »bewunderten Deutschen« (so hat der Spiegel Schmidt getauft) gehört. Die Kanzlerfans orientieren sich eher am Spitznamen des Regierungschefs. »Schmidt-Schnauze« bekommt liebevoll auf dieselbe, das muss irgendwie ein Restbestand der antiautoritären Zeit sein.
»Lieber Helmut. Ich bin hier in Spanien und verbrate Deine Arbeitslosenunterstützung. Wenn Du weiterhin so sozial eingestellt bist, werde ich Dich wiederwählen. Tschüs Dein Werner«
»Lieber Helmut, auch auf dem Cannstatter Volksfest sind unsere Gedanken stets bei Dir, alter Hallodri. Grüße auch an Loki-Darling«
»Hay Helmut. du bist groovy. Deine Regierungsqualitäten sind pralle Spitze. Zieh‘ immer warme Socken an und spiel nicht mit Franz Josef«
»Lieber Kanzler, aufgrund Ihrer Währungspolitik ermöglichen Sie uns einen wunderschön billigen Urlaub in Irland«
»Als Soldaten der Bundeswehr produzieren wir zur Zeit Sicherheit auf Kreta. Wir möchten Ihnen für die schönen Tage hier danken.«
Nur im preußischen Osten weiß man noch, was sich gehört im Umgang mit einem deutschen Regierungschef. Von dort kommt eine Karte, die so schlicht ist, wie im Ton angemessen:
»Werter Herr Kanzler und Frau, viele Urlaubsgrüße sendet Ihnen eine Familie aus der DDR«
Als Helmut Schmidt einmal …
… die Hosen runterließ und Strauß deshalb Nietzsche zitierte
1980, der Wahlkampf ist auf dem Höhepunkt, lässt Schmidt, der sich gern bescheiden als »erster Angestellter der Republik« sieht, die Hosen runter. Auf die Frage nach Verdienst, Vermögen und Pensionsansprüchen antwortet der Kanzler mit der ihm eigenen Pingeligkeit: »Nach meiner letzten Einkommensteuererklärung betrug mein zu versteuerndes Jahreseinkommen 1978 DM 233 000; nach Einkommen- und Kirchensteuer blieben DM 121 000. Über meine Pension habe ich mir noch keine Gedanken gemacht; sie ist im Abgeordnetengesetz und im Ministergesetz geregelt. Nach der letzten Vermögenssteuererklärung besaßen meine Frau und ich 1978 ein Haus in Hamburg, Einheitswert DM 196 000 (das Haus ist mit einer Resthypothek von DM 49 000 belastet), und ein Ferienhaus am Brahmsee mit einem Einheitswert von DM 41 000. Dazu kommen Bundesanleihen in Höhe von rund DM 98 000. Der Wert der Lebensversicherung betrug 1978 DM 21 000.«
Ein Ferienhaus für 41000 Mark, eine Lebensversicherung im Wert von 21000 Mark – da muss der Kandidat der Union, Franz Josef Strau ß, wahrscheinlich lachen. Tut er aber nicht. FJS, dem ein erhebliches Vermögen nachgesagt wird und der immer mal wieder im Zentrum von Bestechungsvorwürfen stand, antwortet auf die Geldfrage, er halte es mit einem Wort Friedrich Nietzsches: »Mancher weiß nicht, wie reich er ist, bis er erfährt, was für reiche Menschen an ihm noch zu Dieben werden.«
Als Helmut Schmidt einmal …
… den Deutschen Starsky und Hutch ausreden wollte
Am 25. August 1967 war das Verhältnis zwischen Fernsehen und Sozis noch in Ordnung: Willy Brandt drückte bei der Berliner Funkausstellung auf einen roten Knopf, startete das Farb-TV und wünschte »viele friedlich-farbige, aber auch spannend-farbige Ereignisse, über die zu berichten und die darzustellen sich lohnt«.
Aber Willy und der ganze Fortschrittsglaube der Sechziger sind passé, und Schmidt macht mit granitharter Kantscher Verantwortungsethik den Kanzler. Er, der in seiner Freizeit gern einen schönen Mozart auf dem Flügel spielt oder ein Aquarell malt, hält wenig bis gar nichts vom Guckkasten. Zwar hat sein Bildungsminister Jürgen Schmude das Fernsehen als größte »Volkshochschule der Deutschen« bezeichnet – aber der Kanzler will 1978 einen freiwilligen fernsehfreien Tag einführen. Grund: Die Television zerstöre die Kommunikation der Familienmitglieder untereinander. Enkel rede nicht mehr mit Opa, Frau nicht mehr mit Mann. Noch schlimmer: Immer weniger reden mit ihm, dem Kanzler, die grün werdende Jugend wendet sich ab, denn: »Auch zwischen Politikern und Bürgern ist die
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