Also sprach Zarathustra
Gefühle, die den Einsamen tödten wollen; gelingt es ihnen nicht, nun, so müssen sie selber sterben! Aber vermagst du das, Mörder zu sein?
Kennst du, mein Bruder, schon das Wort "Verachtung"? Und die Qual deiner Gerechtigkeit, Solchen gerecht zu sein, die dich verachten?
Du zwingst Viele, über dich umzulernen; das rechnen sie dir hart an. Du kamst ihnen nahe und giengst doch vorüber: das verzeihen sie dir niemals.
Du gehst über sie hinaus: aber je höher du steigst, um so kleiner sieht dich das Auge des Neides. Am meisten aber wird der Fliegende gehasst.
"Wie wolltet ihr gegen mich gerecht sein! - musst du sprechen - ich erwähle mir eure Ungerechtigkeit als den mir zugemessnen Theil."
Ungerechtigkeit und Schmutz werfen sie nach dem Einsamen: aber, mein Bruder, wenn du ein Stern sein willst, so musst du ihnen desshalb nicht weniger leuchten!
Und hüte dich vor den Guten und Gerechten! Sie kreuzigen gerne Die, welche sich ihre eigne Tugend erfinden, - sie hassen den Einsamen.
Hüte dich auch vor der heiligen Einfalt! Alles ist ihr unheilig, was nicht einfältig ist; sie spielt auch gerne mit dem Feuer - der Scheiterhaufen.
Und hüte dich auch vor den Anfällen deiner Liebe! Zu schnell streckt der Einsame Dem die Hand entgegen, der ihm begegnet.
Manchem Menschen darfst du nicht die Hand geben, sondern nur die Tatze: und ich will, dass deine Tatze auch Krallen habe.
Aber der schlimmste Feind, dem du begegnen kannst, wirst du immer dir selber sein; du selber lauerst dir auf in Höhlen und Wäldern.
Einsamer, du gehst den Weg zu dir selber! Und an dir selber fuhrt dein Weg vorbei und an deinen sieben Teufeln!
Ketzer wirst du dir selber sein und Hexe und Wahrsager und Narr und Zweifler und Unheiliger und Bösewicht.
Verbrennen musst du dich wollen in deiner eignen Flamme: wie wolltest du neu werden, wenn du nicht erst Asche geworden bist!
Einsamer, du gehst den Weg des Schaffenden: einen Gott willst du dir schaffen aus deinen sieben Teufeln!
Einsamer, du gehst den Weg des Liebenden: dich selbst liebst du und desshalb verachtest du dich, wie nur Liebende verachten.
Schaffen will der Liebende, weil er verachtet! Was weiss Der von Liebe, der nicht gerade verachten musste, was er liebte!
Mit deiner Liebe gehe in deine Vereinsamung und mit deinem Schaffen, mein Bruder; und spät erst wird die Gerechtigkeit dir nachhinken.
Mit meinen Thränen gehe in deine Vereinsamung, mein Bruder. Ich liebe Den, der über sich selber hinaus schaffen will und so zu Grunde geht. -
Also sprach Zarathustra.
Von alten und jungen Weiblein
"Was schleichst du so scheu durch die Dämmerung, Zarathustra? Und was birgst du behutsam unter deinem Mantel?
Ist es ein Schatz, der dir geschenkt? Oder ein Kind, das dir geboren wurde? Oder gehst du jetzt selber auf den Wegen der Diebe, du Freund der Bösen?" -
Wahrlich, mein Bruder! sprach Zarathustra, es ist ein Schatz, der mir geschenkt wurde: eine kleine Wahrheit ist's, die ich trage.
Aber sie ist ungebärdig wie ein junges Kind; und wenn ich ihr nicht den Mund halte, so schreit sie überlaut.
Als ich heute allein meines Weges gieng, zur Stunde, wo die Sonne sinkt, begegnete mir ein altes Weiblein und redete also zu meiner Seele:
"Vieles sprach Zarathustra auch zu uns Weibern, doch nie sprach er uns über das Weib."
Und ich entgegnete ihr: "über das Weib soll man nur zu Männern reden."
"Rede auch zu mir vom Weibe, sprach sie; ich bin alt genug, um es gleich wieder zu vergessen."
Und ich willfahrte dem alten Weiblein und sprach also zu ihm:
Alles am Weibe ist ein Räthsel, und Alles am Weibe hat Eine Lösung: sie heisst Schwangerschaft.
Der Mann ist für das Weib ein Mittel: der Zweck ist immer das Kind. Aber was ist das Weib für den Mann?
Zweierlei will der ächte Mann: Gefahr und Spiel. Desshalb will er das Weib, als das gefährlichste Spielzeug.
Der Mann soll zum Kriege erzogen werden und das Weib zur Erholung des Kriegers: alles Andre ist Thorheit.
Allzusüsse Früchte - die mag der Krieger nicht. Darum mag er das Weib; bitter ist auch noch das süsseste Weib.
Besser als ein Mann versteht das Weib die Kinder, aber der Mann ist kindlicher als das Weib.
Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Auf, ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!
Ein Spielzeug sei das Weib, rein und fein, dem Edelsteine gleich, bestrahlt von den Tugenden einer Welt, welche noch nicht da ist.
Der Strahl eines Sternes glänze in eurer Liebe! Eure Hoffnung
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