Alta moda
Allein das Kostüm! Caterina hat es ausgesucht. Ein Wunder, daß sie sie nicht gleich unter einem schwarzen Kaftan versteckt hat. Wie konnte Olivia nur so dumm sein und Patrick laufenlassen!«
»Und warum hat sie ihn nicht geheiratet?«
»Weil ihr immer noch dieser kleine Ganove im Kopf rumspukt. Sie besucht ihn sogar im Gefängnis. Haben Sie das nicht gewußt?«
»Nein, ich… nein…«
»Der Kerl hat Frau und Kind, einen kleinen Jungen. Die hat Olivia auch gleich unter ihre Fittiche genommen. Dabei hat sie mir erzählt, wenn die Carabinieri nicht gekommen wären, dann hätte dieser Mann sie getötet. Was sagen Sie dazu? Sie will angeblich nur die Hintergründe verstehen lernen. Solange ihr das nicht gelingt, fände sie keine Ruhe. Sie will wissen, wie und warum er einen Menschen hätte umbringen können, den er kaum kannte und der ihm nie etwas zuleide getan hat. Ich hab ihr gesagt, es wäre vielleicht sinnvoller, herauszufinden, warum ihre eigenen Kinder so und nicht anders gehandelt haben, aber sie will nichts davon hören: ›Darüber darf ich nicht nachdenken, sonst verliere ich den Verstand. Ich will aber wieder gesund werden.‹«
»Sie könnte eine Beratungsstelle aufsuchen, den Verband für Entführungsopfer vielleicht, eine landesweite Organisation. Die Leute dort haben Erfahrung mit solchen Problemen.«
»Aber keine im Umgang mit Olivia. Die kann sich nicht helfen lassen, sondern muß immer selbst den Nothelfer spielen. Dieser Bandit ist der beste Beweis. Sie sagt, er will im Gefängnis seinen Schulabschluß nachholen.
Wer weiß, vielleicht wird er ihr ja eines Tages dankbar sein, was mehr ist, als man von ihren eigenen Kindern behaupten kann. – Sehen Sie sich das an! Der Bräutigam verschwindet hinter der Kamera, und Olivia hat sich fürs Gruppenfoto brav in die hinterste Reihe abschieben lassen. Wie sie alles klaglos über sich ergehen läßt! Wenn Leos Name fällt, überkommt es sie freilich, und manches Mal war mir schon so, als hörte ich sie weinen, hat aber nie gestimmt. Sie ist zäh, unsere Olivia. Ich hab sie noch keine Träne vergießen sehen. Jetzt muß ich aber zurück. Hat mich wirklich sehr gefreut, Maresciallo!« Damit eilte die Contessa, mit einer Hand ihren breitkrempigen Hut festhaltend, wieder hinüber zur Kirche.
Der Maresciallo und seine Frau machten kehrt und ließen den Palazzo Brunamonti hinter sich. Inmitten von Großmüttern und Kleinkindern flanierten sie am NeptunBrunnen vorbei und freuten sich an Sonnenschein und Lindenduft.
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