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Alte Feinde

Alte Feinde

Titel: Alte Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Duane Louis
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ich
viele Nächte in diesem Haus an der Brigde Street, wo ich auf dem grünen Fransenteppich im Wohnzimmer schlief. Ich lauschte, wie Grandpa Ted sich mit Grandma Bea unterhielt, während sie beide tranken und rauchten und das Radio im Hintergrund Polkas spielte. Sie lachten. Sie stritten sich. Ich lag dann zusammengerollt auf dem Boden und weinte oft, allerdings zu leise, als dass sie mich hören konnten.
    Vielleicht sollte ich nochmal zum Haus meiner Eltern zurückgehen und meiner Mutter eine Nachricht hinterlassen:
    HI ANNE!
    ALSO, DIESER GITARREN-FUZZI MIT DEM PFERDE-SCHWANZ, DEN DU GERADE GEHEIRATET HAST … DU DARFST IHN UNTER KEINEN UMSTÄNDEN AM SONNTAG, DEN 7. DEZEMBER 1980, VOR DIE TÜR LASSEN. VETRAU MIR.
    GEZEICHNET,
EIN FREUND
    Ich schlenderte zurück in das Zentrum von Frankford, das voll mit den Wahrzeichen meiner Kindheit war. Statt eines schäbigen Sav-N-Bag stand dort ein sauberer, blitzeblanker Penn Fruit Supermarket, mit neuen Einkaufswagen und frisch gestrichenen Wänden, mit Reihen voller Lebensmittelpackungen und Dosen, Obst, Fleisch und Brot. Die Frankford Avenue weiter runter gab es einen Geflügelladen, wo hinter dem Schaufenster in einem
Kasten die Brathähnchen rotierten. Jetzt, nachts, waren dort keine Vögel mehr zu sehen, doch der Grill stand für den nächsten Tag bereit, zusammen mit einem Schild, auf dem ganze und halbe Hähnchen, Schenkel, Brüste und Oberschenkel angepriesen wurden. Bei diesem Anblick fing mein Magen an zu rumoren. Außerdem gab es hier einen Billigladen mit einem Imbissstand sowie eine Drogerie, nicht von einer Kette, sondern ein grundehrliches Familienunternehmen, ebenfalls mit Imbissstand. Selbst in der Dunkelheit konnte man ihn direkt hinter der Eingangstür erkennen. Und es gab einen riesigen Spielzeugladen namens Snyder’s. Plattenläden. Geschäfte für Kinderbekleidung, wo man zu Ostern für die Kleinen Kostüme kaufen konnte. Einen Laden für Damenunterwäsche. Und ein Süßwarengeschäft. Keine Zigaretten, kein Brot, keine Milch, keine Lottoscheine, keine Pornohefte und auch kein Motorenöl - nur Reihen voller Honigbonbons, Weingummi, überzuckerter Gummibonbons, Fruchtgelee und Schokolinsen hinter einer riesigen Glastheke. Man konnte mit fünfzehn Cent in den Laden marschieren und ihn mit einer Papiertüte voller Süßigkeiten wieder verlassen. Das Stück zu einem Penny.
    Wenn man einen Ort vor so langer Zeit abgeschrieben hat, vergisst man, wie sehr man ihn in Wirklichkeit mal geliebt hat.

    Ich hätte die ganze Nacht so weiterlaufen können, doch das hätte nichts an den Tatsachen geändert. Ich war
immer noch völlig abgebrannt, ein paar Scheine von meinem College-Abschluss entfernt und wohnte ohne Job in einer üblen Gegend, während der schlimmsten Rezession seit der Großen Depression. Was wäre, wenn ich nach der Einnahme der Pillen in einem anderen Jahr aufwachte? Niemand konnte mich sehen. Niemand konnte mit mir reden. Niemand interessierte sich für mich, weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit.
    Die Pillen mussten zu irgendetwas gut sein. Doch ich war nicht schlau genug, es herauszufinden. Bis jetzt. Vielleicht hatte es ja mein Großvater herausgefunden.
    Und auf einmal fielen mir die Kartons und Kisten ein.

    Zurück in der Wohnung stürzte ich mich auf die Unterlagen. Wo war ich nur mit meinen Gedanken gewesen? Er musste eine Möglichkeit entdeckt haben, aus den Tabletten einen finanziellen Nutzen zu ziehen. Er war sicher nicht reich, aber er kam über die Runden. Offensichtlich hatte er in diesem Apartment die ganze Zeit einen bestimmten Plan verfolgt. Und diese Kartons und Kisten enthielten wahrscheinlich Hinweise darauf.
    Als Erstes stieß ich auf Stammbäume. Scheinbar zusammenhanglose Zeitungsausschnitte, die die Zeit von den Zwanzigern bis zu den Neunzigern umfassten. Grundstücksverzeichnisse. Seiten mit Geburtsanzeigen. Krankenberichte. Nichts davon war geordnet. Und nichts davon ergab irgendeinen Sinn.
    Wozu das Ganze?

    Zum Beispiel: Eine Aktenmappe mit der unleserlich hingekrakelten Aufschrift »Verbrechenswelle« war mit mehreren Ausschnitten aus einer lokalen Zeitung vollgestopft, dem Frankford Gleaner. Die Artikel beschrieben ausführlich eine Serie von Einbrüchen und Diebstählen auf der Frankford Avenue im Sommer 1979. Was sollte das?
    Nun, vielleicht war mein Großvater einfach sehr viel geschickter darin, das Jahr, das er besuchte, zu bestimmen. War es möglich, dass er ins Jahr 1979 zurückgereist war und auf

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