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Der zerbrochene Kelch

Der zerbrochene Kelch

Titel: Der zerbrochene Kelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathinka Wantula
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    Hamburg
    Ihre Seele suchte eine neue Herausforderung, das wusste er. Deswegen hatte er Karen vor einigen Tagen in New York angerufen, und deswegen war sie jetzt hier.
    Julius Reinhold stand an einem der großen Fenster seines Büros mit wunderschönem Blick auf die Außenalster und überlegte, ob er Karen diesen Auftrag wirklich geben sollte. Als Besitzer eines alten, renommierten Verlagshauses, das sich auf Monographien und historische Fachbücher spezialisiert hatte, war er schon oft ihr Auftraggeber gewesen. Aber er war auch ihr Patenonkel und hatte große Bedenken, sie diesmal wieder loszuschicken. Bei den Recherchen zu ihrem letzten Buch wäre sie beinahe in Paris getötet worden, und der neue Auftrag würde wahrscheinlich noch gefährlicher werden.
    Julius wusste das, aber hatte er eine andere Wahl?
    Sein Freund Étienne Artois, der Rektor der Sorbonne, hatte ihn gestern angerufen und gefragt, ob er schon davon gehört habe, dass in Delphi ein altes Brunnenbecken wiederentdeckt worden sei. Reinhold hatte bejaht.
    Sie wussten beide, was das bedeutete.
    »Vielleicht sollten wir uns diesmal selbst darum kümmern, Julius«, hatte Artois nervös gemurmelt, aber Reinhold war anderer Meinung gewesen.
    »Du weißt, dass das nicht geht, Étienne. Du kennst die Prophezeiung.«
    »Naturellement. Aber glaubst du, dass Karen es schaffen wird?«
    »Sie muss«, antwortete Julius hart. »Sonst werden wieder Tausende von Menschen sterben. So wie damals.«
    Das Telefonat hatte dunkle Befürchtungen in ihm geweckt. Es fiel ihm schwer, seinem Patenkind danach unbefangen in die Augen zu sehen, aber er riss sich zusammen und ließ sich nichts anmerken, als sie einige Tage später in das holzvertäfelte Büro trat und ihn mit einem freudigen Lächeln umarmte.
    Karen war ein wenig irritiert, da er sie einige Sekunden länger als nötig festhielt, und wunderte sich, dass seine Umarmung diesmal so herzlich ausfiel. Was führte er nur wieder im Schilde? An welchen Ort der Welt würde er sie diesmal schicken? Und dabei drückte er sie an sich, als ob er sie überhaupt nicht mehr aus dem Haus lassen wollte. »Karen, meine Liebe. Wie geht es dir?« Er deutete auf einen mit schwarzem Leder bezogenen Sessel vor seinem Schreibtisch und nahm ihr gegenüber auf seinem großen Lehndrehstuhl Platz.
    »Es geht mir gut. Danke, Julius.«
    »Wo hast du Michael gelassen? Ist dein Freund nicht mitgekommen, oder wartet er draußen vor der Tür?« Julius warf einen heimlichen Blick auf den weißgoldenen Ring mit den drei Brillanten an ihrer rechten Hand und grinste.
    Karens Augen folgten seinem Blick, während ihre Fingerspitzen eine halbe Oktave auf der Mahagonitischplatte spielten.
    »Nein, das ging nicht«, erwiderte sie mit einem leicht melancholischen Unterton in der Stimme. »Er hat leider keinen Urlaub bekommen, sonst wäre er jetzt hier.«
    Julius nickte, während er wieder mal darüber nachdachte, warum ein Mann wie Michael Mansfield, dem ein teures Apartment in der Upper West Side in New York gehörte und der eines Tages den kleinen Nachrichtensender seines Vaters erben würde, als Police Detective arbeitete. Er kannte zwar Mansfields Gründe und respektierte, dass dieser nicht in der Firma seines Vaters arbeiten wollte, sondern stattdessen lieber auf Gangsterjagd ging, aber verstehen würde er das niemals.
    »Er hat mich übrigens gewarnt, einen Auftrag von dir anzunehmen«, riss Karen ihn aus seinen Gedanken.
    »Das glaube ich gern. Und warum bist du dann hier anstatt bei ihm in New York?«
    Ihre Stimme wurde ein wenig herausfordernder. »Weil ich schon seit einem halben Jahr dort bin, und weil ich endlich wieder schreiben will. Es ist jetzt schon zwei Monate her, dass ich mit dem Buch über …« Sie stockte, als sie den Namen aussprechen musste. Manchmal fiel es ihr immer noch schwer, mit ihrem Wissen zu leben. Die Ereignisse in Paris hatten sie doch sehr verändert. »… über Prof. Bernhardt fertig geworden bin. Ich muss schreiben. Das gehört zu meinem Leben. Das weißt du, und das weiß auch Michael.«
    Julius vermutete, dass es zwischen Karen und Michael darüber schon mehrere Gespräche gegeben hatte. »Er ist nicht glücklich, dass du ein, zwei Wochen nicht bei ihm bist, nicht wahr?«
    »Ja, das ist er nicht. Aber ich bin auch nicht glücklich über seinen Job als Police Detective, und da ich seine Arbeit respektiere, erwarte ich auch von ihm, dass er mich bei meinem Schreiben unterstützt.« Karen rang die Hände. »Er meint, man

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