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Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)

Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition)

Titel: Am Abgrund der Zeit (Science-Fiction-Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wegener
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führen, damit sich jeder einen persönlichen Überblick verschaffen kann. Das gilt auch für Sie, Mr. Gray, obwohl Ihr Tastsinn besonders fein ausgeprägt ist.«
    »Ja, Sir«, erwiderte der Blinde. Er blickte Stafford direkt ins Gesicht, obwohl er ihn nicht sehen konnte. Aber er sah deutlich und klar das Infrarotbild, das sich abzeichnete, und erkannte die spezielle Aura des Kommandanten, die irisierend bläulich-orange schimmerte. Jeder hatte eine andere Aura, und so konnte Gray alle Mitglieder der Crew mühelos unterscheiden. Er sah sie nach dem Kirlian-Effekt in den schillerndsten Farben, auch wenn sie sich – emotional bedingt – mitunter schnell veränderten.
    Feste Gegenstände waren für Gray ebenfalls kein Problem. Der zartgliedrige Mann mit dem schmalen Gesicht sah bei unbelebten Gegenständen regelmäßige, unveränderliche Auren, die auf ihn wie ein Radarbild wirkten. Zudem konnte er Stimmungen und Launen ganz genau und schon aus der Ferne einschätzen. Wie er allerdings in einem übergeordnetem Kontinuum »sah«, vermochte Stafford sich bei aller Fantasie nicht vorzustellen.
    Die Biosphäre lag – vom oberen Pol aus gesehen – im zweiten Deck und reichte bis tief zum unteren Pol.
    Als das Doppelschott lautlos zurückglitt, verschlug der Anblick fast allen den Atem, obwohl er von irdischen Verhältnissen durchaus vertraut war.
    Sie befanden sich übergangslos in einer Landschaft mit kleinen Palmenhainen, die bis an einen Strand wuchsen. Dahinter erstreckte sich bis zum künstlichen Horizont ein großer See, den auf der linken Seite eine dschungelähnliche Flora begrenzte. Die Luft war schwül und warm, als hätte es gerade geregnet. Verborgene Lichtquellen sorgten für tropische Helligkeit.
    »Das Betreten der Biosphäre ist aus verständlichen Gründen verboten«, erklärte Stafford kühl. »Das ökologische Gleichgewicht ist so kompliziert, dass es nicht gestört werden darf. Auf der Erde liefen ähnliche Versuche in den neunziger Jahren. Es erwies sich, dass die Biosphäre nur etwa vier Jahre existieren konnte, ehe die einzelnen Biotope zusammenbrachen und abstarben. Dieses System ist bis ins letzte Detail verbessert worden. Die Lebenserwartung der künstlichen Sphäre beträgt etwa zwölf bis fünfzehn Jahre, vermutlich sogar zwanzig.«
    Stafford führte die Gruppe über genau festgelegte Markierungen weiter bis zu gläsernen Tanks, die in die Wände integriert waren.
    »Die Algen-Bakterien-Verbundreaktoren«, erläuterte er weiter. »Damit wird lebensnotwendiger Wasserstoff erzeugt, der in einem komplizierten Verfahren aufbereitet wird und für Frischluft sorgt. Das dabei gewonnene Algenprodukt ist Grundlage unserer Nahrung. Gleichzeitig dient es der Luftversorgung und ständigen Erneuerung.«
    Es ging weiter durch unterschiedliche Klimazonen, die durch Fiberglastüren getrennt waren. Die Biosphäre wirkte wie ein riesiges Treibhaus. Im Boden befanden sich Insekten, in der Luft schwirrten Vögel, und im Wasser tummelten sich Fische.
    Ein fremder Besucher hätte nie geglaubt, sich in einem Raumschiff zu befinden.
    Hather Torlan stand mit seinen beiden Assistentinnen neben einem der Hydrotanks, in dem eine braungrüne Suppe schwappte. Der Hydrologist war dürr und hager, mit einem melancholisch wirkenden Gesicht, das Wehmütigkeit ausstrahlte.
    »Alle Systeme arbeiten einwandfrei, Sir«, meldete er. »Der Rechner meldet keinerlei Unregelmäßigkeiten.«
    Stafford nickte den beiden Frauen zu. Sie waren Spezialistinnen auf dem Gebiet der Biologie und kannten die Sphäre bis ins letzte Detail. Die eine war Wendre Torlan, Schwester des Hydrologisten, mit dunkelblonden Haaren und hellgrauen Augen. Die andere war die Russin Katja Fedorowna, schwarzhaarig mit blauen Augen, und dem Commander gerade bis ans Brustbein reichend.
    Alle drei trugen durchsichtige Overalls über ihrer Kleidung.
    »Sehr gut«, sagte Stafford. »Sie können zur weiteren Inspektion mitkommen, wenn Sie wollen.«
    Hinter ihnen schlossen sich automatisch die Schotten und riegelten die Biosphäre von der Welt der Technik hermetisch ab.
    Im zweiten Deck kamen sie in den Raum, den Doc Bonelli stolz als »sein Reich« bezeichnete.
    Es gab niemanden, dem nicht unwillkürlich ein kalter Schauer über den Rücken rann, als sie die Station betraten.
    Hier war alles steril, leblos, nüchtern und kalt. Der Anblick erinnerte an eine moderne Leichenhalle.
    Der hintere Raum wurde von einer Batterie gläserner, sargähnlicher Gebilde beherrscht.

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