Am Ende Der Straße: Roman
Auch während der Apokalypse haben Frauen ihre Periode und trockene Haut. Für Christy war es ein unverzichtbares Ritual, sich jeden Morgen Feuchtigkeitscreme ins Gesicht zu schmieren.)
Wir luden Cranston ein mitzukommen, aber er lehnte dankend ab, da er die relative Sicherheit seiner eigenen vier Wände vorzog. Wir boten nicht an, ihm etwas mitzubringen. Zu der Zeit waren Russ und ich bereits mies drauf und irgendwie neben der Spur. Keiner von uns hatte mehr als ein paar Stunden geschlafen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich Tom Salvos dampfende Leiche vor mir. Aber trotz unserer Laune waren wir uns bewusst, warum wir uns so fühlten und konnten daher unsere negativen Emotionen halbwegs unter Kontrolle halten.
Dann gingen wir einkaufen.
Wie wir bereits geahnt hatten, war mein Auto nicht zurückgekehrt, und Russ hatte kaum noch Benzin im Tank, also gingen wir zu Fuß. Wir hatten extra daran gedacht, die Revolver mitzunehmen. Ich schob mir den .38er hinten in den Hosenbund. Er drückte hart und kalt gegen meine Haut. Da ich wusste, dass er geladen war, machte mich das etwas nervös. Ich hatte Angst, dass er vielleicht aus Versehen losgehen und mir die Eier abschießen könnte, aber Russ versicherte mir, dass das ziemlich
unwahrscheinlich war, solange ich die Waffe vorsichtig und mit Respekt behandelte. Russ trug den .357er in einem Halfter am Gürtel, wo ihn jeder sehen konnte. Ein paar Leute musterten die Waffe im Vorbeigehen, aber es gab jede Menge andere Passanten, die mit Pistolen oder Gewehren bewaffnet waren. Das war ein weiterer Hinweis darauf, wie schnell sich alles verändert hatte.
Wir gingen als Erstes zum Supermarkt. An diesem Morgen waren mehr Leute in dem Laden als jemals zuvor. Es gab mehr Kunden als vor einem Schneesturm, an Thanksgiving, Weihnachten, dem Passahfest und dem Memorial Day zusammen. Ich nenne sie Kunden, aber in Wahrheit waren sie etwas völlig anderes. Kunden verhalten sich einigermaßen zivilisiert, und der Begriff beinhaltet, dass man für seine Einkäufe bezahlt. Hier ging es etwas chaotischer zu.
Es waren zwar noch Angestellte im Laden – Kassenkräfte und Leute, die die Regale auffüllten –, aber niemand von der Führungsebene. Die Angestellten waren aus demselben Grund dort wie wir, und sie versuchten gar nicht erst, irgendjemanden aufzuhalten. Sie waren viel zu sehr damit beschäftigt, Sachen zusammenzuraffen. Die Kassen waren nicht besetzt. Zwei Männer versuchten mit einer Brechstange, eine von ihnen aufzustemmen, um an das Geld heranzukommen, aber alle anderen konzentrierten sich auf die Waren.
Der Mob stürmte mit Taschenlampen durch den Laden, strömte durch die Gänge und warf Präsentiertische um. Die Schreie reichten von triumphierendem Kreischen bis zu wütenden Anschuldigungen, und alle paar
Minuten gipfelten diese kleinen Streitigkeiten in wüsten Drohungen, die den Lärm übertönten. Schlägereien und Gerangel brachen los. Manchmal griff jemand ein und trennte die Kämpfenden. Aber meistens nicht. Stattdessen machten sich die Umstehenden die Ablenkung zunutze und bunkerten alles, was sie kriegen konnten. Es floss Blut – aus aufgeplatzten Lippen und gebrochenen Nasen –, außerdem gab es Stauchungen und sogar ein paar ausgeschlagene Zähne. Niemand kam zu Tode, aber es war trotzdem eine hässliche Szene — die noch hässlicher dadurch wurde, dass Russ und ich ein Teil von ihr waren.
Ihr müsst verstehen, dass wir keinerlei Skrupel hatten bei dem, was wir taten. Wir waren aus demselben Grund dort wie alle anderen – um alles mitzunehmen, was nicht niet – und nagelfest war. Hätte jemand an der Kasse gesessen, hätten wir wahrscheinlich bezahlt. Aber da war niemand, und das war uns auch Recht. Wir waren schlicht und einfach Plünderer, und das fühlte sich zunächst falsch an – bis die Dunkelheit oder ein Urinstinkt oder sonst etwas die Kontrolle übernahm und uns dazu brachte, unser Gewissen zu ignorieren und einfach grundlegenden, tierischen Instinkten zu folgen.
Unser Schuldgefühl verschwand. Vielleicht war es die Dunkelheit, vielleicht waren es aber auch nur unsere eigenen, primitivsten Bedürfnisse. Was auch immer es war, wir gaben uns geschlagen.
Von da an war es einfacher, mit dem Strom zu schwimmen.
Und genau das taten wir. Russ und ich ließen uns nicht auf irgendwelche Kämpfe ein, aber wir brüllten ein paar
Leute an, und einmal schubste Russ einen Typen mittleren Alters, der sich mit ihm darüber streiten wollte, wer von
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