Am Ende Der Straße: Roman
wanderten scharenweise rein und raus. Im Laden wurde es langsam richtig heiß, weshalb ich mir wünschte, die Klimaanlage würde noch funktionieren. Es ging kein bisschen Wind. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich überhaupt keinen Wind mehr gespürt hatte, seit die Dunkelheit gekommen war.
Als wir unseren Wagen Richtung Tür schoben, tippte mir ein ungepflegter Mann in einer schmutzigen Lederjacke auf die Schulter. Ich zuckte zusammen, weil ich mit Ärger rechnete. Er musste wohl gesehen haben, wie ich mich verkrampfte, denn er entschuldigte sich mit einem nervösen Lachen.
»Tut mir leid, ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Schon okay. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
»Es gibt keine Batterien mehr«, erklärte er. »Haben Sie vielleicht noch welche bekommen?«
Ich nickte und fragte mich, was er wohl wollte.
»Würden Sie welche eintauschen?« Er zeigte mit seiner Taschenlampe auf seinen Einkaufswagen, der voller gestohlener Sachen war. »Ich habe alles Mögliche da drin. Was brauchen Sie?«
Ich zuckte zusammen. Sein Atem roch, als hätte er sich seit mindestens vierundzwanzig Stunden nicht mehr die Zähne geputzt. Andererseits hatte ich das auch nicht.
»Wir haben alles, was wir brauchen«, sagte Russ. »Tut mir leid, Mann.«
»Ach, kommen Sie. Ich will doch nur ein paar. Machen wir ein Geschäft. Wissen Sie, meine Kinder langweilen sich, und ihre Spielsachen sind allesamt batteriebetrieben.
Ich will nur so viele, dass ich sie beschäftigen kann, bis sich alles wieder normalisiert. Sie können nicht in die Schule, und ich lasse sie nicht nach draußen. Sie sitzen den ganzen Tag im Haus rum und gehen inzwischen die Wände hoch. Verstehen Sie?«
Wir nickten, sagten aber nichts.
»Meine Tochter hat diese Dora-Puppe«, fuhr er fort. »Sie wissen schon, die aus der Zeichentrickserie. Sie kann laufen und reden und macht Musik, wenn man sie einschaltet, und jetzt sind ihre Batterien leer.«
»Tut mir leid«, wiederholte Russ. »Aber wir können keine Batterien entbehren.«
Ich wollte den Wagen an dem Mann vorbeischieben, aber er hielt uns zurück. Er schob sich die Taschenlampe unter den Arm und griff in seine Tasche. Russ und ich wichen hektisch vor ihm zurück, weil wir damit rechneten, dass er ein Messer oder eine Pistole ziehen würde. Tat er aber nicht. Stattdessen hatte er plötzlich seine Brieftasche in der Hand. Zitternd zog er ein paar zerknitterte Scheine heraus.
»Bitte! Ich bezahle auch dafür. Ich habe Geld. Geben Sie mir nur vier AAA. Dafür gebe ich Ihnen zwanzig Dollar. Wie klingt das?«
»Nein.«
»Nein? Wie wäre es dann mit vierzig Dollar?«
»Er sagt die Wahrheit«, erklärte ich. »Wir können wirklich keine abgeben.«
»Fünfzig! Kommt schon, Jungs, ihr werdet doch keinen Deal ausschlagen, der euch fünfzig Dollar für vier kleine Batterien einbringt, oder? Ihr müsstet verrückt
sein, wenn ihr nicht zuschlagt. Es ist doch für meine Tochter.«
Ich unterdrückte einen Anflug von Gereiztheit. »Hören Sie, selbst wenn wir ein paar Batterien übrig hätten, würde Geld nichts bringen. Ich meine, sehen Sie sich doch um. Es ist ja nicht so, als würde irgendjemand für den ganzen Mist bezahlen. Und was die Sachen in Ihrem Wagen angeht: Wir haben schon alles, was wir brauchen. Sie haben nichts, was wir wollen.«
»Tja, was wollen Sie dann?« Er klang resigniert. »Sagen Sie es mir.«
»Haben Sie Benzin, das Sie eintauschen würden? Das könnten wir gebrauchen. Oder vielleicht Petroleum?«
»Nein. Ich habe vorhin versucht, meinen Explorer vollzutanken, aber die Pumpen funktionieren nicht ohne Strom. Und an der Tankstelle wusste niemand, wie man den Sprit aus den Tanks saugen kann.«
»Sehen Sie.« Ich versuchte, den Wagen weiterzuschieben, aber wieder hielt er mich auf.
»Bitte …«
»Lassen Sie den Wagen los, Mann.«
»Aber das ist alles, was ich habe. Wenn Geld nichts wert ist, womit zum Teufel soll ich dann handeln?«
»Keine Ahnung. Ich will nicht unhöflich sein oder so, aber das ist wirklich Ihr Problem. Haben Sie es schon in der Drogerie versucht, oder in der Apotheke?«
Er nickte. »Da ist es genauso wie hier. Sogar noch schlimmer, vollgestopft mit Leuten und so gut wie leergeräumt. Der 7-Eleven-Markt war von einer solchen Menschenmenge umgeben, dass ich nicht mal an den Laden
rangekommen bin. Der Kassierer hat rumgeschrien, aber niemand hat zugehört. Ich habe gesehen, wie ein Mann mit einem Einkaufswagen die Straße runtergegangen ist. Der Wagen war voller
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