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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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richten.
    »Ah«, murmelte Weber, während er den Text studierte. »Verstanden.«
    Dryco bestand darauf, daß durch die Reoptimierung Sicherheit für jeden gewährleistet wurde. Ich persönlich konnte mir nicht vorstellen, daß Sicherheit jemals sicher sein würde. »Bonney«, sprach Weber mich an. »Hören und wiedergeben.«
    Isabel, reformulierte ich; mein Name ist Isabel, das ist mein eigener Name. Isabel Bonney überschritt meine Grenzen; erlaubte meinem Mann, dem Fremden, der mir so nah war, einen viel zu gefährlich tiefen Zugriff auf mein Selbst. Ich liebte ihn; es gab niemanden, den ich wie meinen Mann liebte, aber sein Name war nicht mein Name. Ich heiße Isabel.
    »I be boppin' …« begann Weber.
    »I be boppin' …« wiederholte ich. Mein Mann – John ist sein Name – sagte, ich hätte ein Faible für Sprachen. Er hatte keins und saß lippenstumm im Slabor. Er aß Aprikosenscheiben aus seiner Tüte mit Trockenfrüchten, die fast seine ganze Tagesdiät darstellten. Einer von uns mußte den Hintergrund beherrschen; es war wichtig, daß wir verstanden, was die Einheimischen sagten, wenn wir angesprochen wurden.
    »… at the high school hoop«, beschloß Weber.
    »I be boppin' at the high school hoop …«
    »Halt«, unterbrach Conrad und hob seine Hand, die die Farbe und Struktur von ungefärbtem Surimi hatte. »Error.«
    Webers Gesicht war so stark gerötet, als würde ihn jeden Moment der Schlag erlösen. »Hier und dort belegt«, sagte er und fingertippte auf den Bildschirm.
    »Nicht!« artikulierte der Monitor im sanftweiblichen Tonfall.
    »Entschuldigung. Trotzdem belegt, Conrad«, fuhr Weber fort. »Begriff der Mittfünziger, in allen Medien präsent. In High School Confidential und …«
    Conrad schüttelte den Kopf. »Filmscript von 1958, das mit Black-English-Dialekt, urbane Variante, vermischt wurde.« Er hielt inne, als würde er erst jetzt meinen eigenen urbanen Soziohintergrund bemerken; betrachtete mein aufgehelltes und nicht vollständig entkräuseltes Haar. Als er sich selbst überzeugt hatte, nicht beleidigend gewesen zu sein, fuhr er ohne Auslegung oder Anmerkung fort. »Auf die Situation nicht anwendbar. Weiter.«
    »Ein demonstrierbarer Beleg ist verfügbar«, insistierte Weber. »Korrektur.«
    »Ignorieren, Bonney«, sagte Conrad. »Weitermachen, Weber.«
    Es war nicht überraschend, daß Linguisten so verständnislos sein konnten. Sie waren auf die elisabethanische Epoche graduiert und spezialisiert, nicht auf die amerikanischen Neunzehn-Fünfziger. Doch falls wir tatsächlich jemanden in unsere Welt brachten – wie Dryco beabsichtigte –, würde es nicht Shakespeare sein; auf Drycos Verlangen hatten sie sich für die Dauer unseres Trainings darauf eingelassen.
    »Belegin der Nachsitzung«, sagte Weber. »Zeitverschwendung, Zeitmangel. Also weiter. Phrasieren, bitte,«
    Johns Hände zitterten wie gelähmt, seine zunehmende Angst war unverkennbar. Ich sah, wie er zu meditieren versuchte und kurz darauf nicht mehr zu atmen schien.
    »Komplexitäten«, warnte Weber, als er den Bildschirm studierte. »Wiedergabe in Dreierteilung mit fortgesetzter Phrasierung. Bereit?« Ich nickte. »My Baby. Wiederholung, Bonney.«
    »Ist mein Name so unaussprechbar?« fragte ich; erhielt keine Antwort. Sie waren meinen Worten gegenüber so taub, daß ich mich wie eine unwichtige Präposition fühlte.
    »My Baby«, sagte Conrad. »Wiederholung.«
    »My Baby …«
    »Nicht Bee-bie«, korrigierte er. »Bay-bie. Wiederholung.«
    »Bay-bie«, wiederholte ich. »My Bay-bie …«
    »Rocks me.«
    »Rocks me …«
    John war so still geworden, daß manche sich gefragt hätten, ob er überhaupt noch lebte. Eine Fliege setzte sich auf seine Nase und rieb ihre Beine gegeneinander, als wollte sie sich als Opfer präsentieren. Dann lief sie über seine geschlossenen Augen und flog summend davon. Als John seine Hände verschränkte, traten seine Knöchel knochenbleich hervor.
    »… with a steady roll«, setzte Weber fort.
    »With a steady roll.«
    »Komplette Wiederholung«, sagte Conrad.
    »My Bay-bie rocks me with a steady roll.«
    »Sie hat es, sie hat es!« sagte Weber.
    »Demetafizierung«, sagte Conrad.
    Wenn Dryco sich selbst reoptimieren konnte – und damit unsere Welt –, gab es keinen Grund, warum sich nicht auch mein Mann und ich uns irgendwann reoptimieren könnten, auf dieselbe Weise und mit demselben Resultat. Das hatten wir uns gegenseitig immer wieder gesagt, bis wir es fast selbst

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