Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
doch gleichgestellt?
    War das Liebe? Auf wessen Kosten ging sie? Wenn du unbedingt fragst … Bevor wir nach Hause gingen, memorierte ich einen Ausstellungstisch, damit ich ihn später in Ruhe betrachten konnte. Vielleicht fand ich dann jene unbeabsichtigten Wahrheiten, die sowohl Künstlern als auch Kritikern entgingen, auch wenn sie offensichtlich waren. Sie waren die Bedeutendsten, weil am beunruhigendsten.
    »Liebe dich«, sagte ich zu meinem Mann, »über alles.« Er nickte; er wußte.
     
    Unser Wagen fuhr bronxwärts den Broadway hinauf nach Hause. Durch rauchige Fenster sahen wir dreischichtige Arbeitspersonen, die die Mauern zwischen Harlem und den Washington Heights dekonstruierten, während die nördlichen, höheren Teile von Manhattan ihrer eigenen Reoptimierung unterzogen wurden. Auf beiden Seiten der Mauern lebten nur noch so wenige, daß derartige Sicherheiten seit Jahren so überflüssig waren wie jene, die einst dort gelebt hatten. Ich hatte dort gelebt, als Kind. Wir waren gemeinsam in Washington Heights aufgewachsen, ich und Judy und die arme Lola, speicherten Infos, machten uns straßenschick und suchten einen Weg durch unsere Welt. Sobald ich fort war, reoptimierte ich mich selbst.
    Als ich durchs Dach hinaufstarrte, sah ich Gottheit ins Gesicht, aber ich entdeckte keinen Funken, kein Zeichen und kein Aufflackern des Elmsfeuers. Banalitäten befleckten die Nacht: Wolken, die vom Schein der Suchlichter glühten, geronnen hoch oben; kaum hatten sie die beabsichtigte Gestalt angenommen, als Winde sich verschworen, die nebelverschmierten Designs zu verunstalten. Holowerbung, sofern erfolgreich, erlaubte Dryco, ihr Emblem auf Land, Himmel und Meer zu prägen, damit – wenn die Zungen verstummten und die Bildschirme verloschen – noch die Felsen unaufhörlich das Dryco-Lied sangen. Luftreisende sanken durch die gelbe Zone in die offensichtigen highwayseitigen Wälder, die auf Bedarf wuchsen, die Erosion kontrollierten und gleichzeitig mit graviertem Grün das Firmenemblem belaubten. Bäche schossen durch rekanalisierte Läufe, damit Interessierte auch aus der Ferne unseren Namen erkennen konnten, wie er in Wasser geschrieben wurde. Hügel waren rasiert und umgestaltet worden, um das bekannte Gesichtsgrinsen zu zeigen, mit Felsblöcken als Augen und Gebüschbogen als Lächeln, während Hecken das Firmenmotto rundum buchstabierten: Tu Gutes! Sei wirklich! Das Wort war zuoft mit uns, zubald: Dryco war das Wort, und unsere Welt war durch das Wort und mit dem Wort, und die Welt war das Wort.
    »Sieh …!« rief John. Unser Fahrer scherte seitwärts aus und brauste durch den Rotbereich. An der 156sten verhinderte er, von einem anderen bronxwärts fahrenden Wagen geschrammt zu werden. John packte den Mann an den Schultern und lenkte ihn bordsteinwärts, wo er zum Stop kam. »Sie riskieren«, sagte er zum Fahrer, einem wiederberufenen Sicherheitsmann. Ich wußte, daß es meine Sicherheit war, nicht ihre eigene, die meinen Mann so besorgte.
    »Bekannt«, murmelte der Mann kaum hörbar.
    »Ich werde uns lenken«, sagte John. »Seitwärts!« Er stieg aus, setzte sich ans Lenkrad und drängte den Fahrer in Schußposition. Zu den Armaturen sprach er so freundlich wie zu einem Mitarbeiter; als der Wagen reagierte, fuhren wir weiter, rechtswärts, linkswärts, flußüber, und bewegten uns von der gewesenen in die werdende Welt.
    Unter Drycos Leitung und zu unschätzbaren Kosten rekonstruierte sich unsere Stadt auf den Bronx-Hügeln. Das Design war halb traditionell, halb in jenem Stil, den Eurotrender als Dreizinuovy bezeichneten. New New Yorks Nachtlichter hellten seine Schattierungen, Pastelltöne und Primärfarben: aprikose und aubergine, zitrone und zyan, kirsch und kobalt und tief smaragdgrün. Hochtürmig und flachkuppelig sah die Stadt so gespickt wie ein Nagelbrett aus. Röhren überbrückten Straßenschluchten achtzig Stockwerke tief, Strohhalmlifte führten gebäudeseitwärts hinauf zu reichen Azimutgipfeln, die mit Pseudoschnörkeln und Neoarabesken verziert waren. Schwärme aus winzigen Koptern zirkelten mückenhaft um die gewachsenen und wachsenden Treibhausblumen unserer Gartenstadt herum. Die Met zeigte abwechselnd verblassende Comicpanels, auf denen eher konservative Kunstenthusiasten Darstellungen unseres Stadtbildes bewundern konnten, die vor einem halben Jahrhundert von Bescheidwissenden gemalt worden waren. In einer Flasche verschlossen erhob sich eine unverblümte Minatur aus dem

Weitere Kostenlose Bücher