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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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begrenzt. Ich gebe gerne zu, daß seine äußere Erscheinung nicht unwesentlich dazu beitrug, daß ich seinen Heiratsantrag annahm. Mit seinem tiefschwarzen Haar über der hohen Denkerstirn und dem markanten Kinngrübchen (das er vorzugsweise als energisches Kinn bezeichnen würde) ist er für mich der Inbegriff männlicher Attraktivität.
    Emerson scheint meinen weiblichen Reizen gleichermaßen erlegen zu sein. Um ehrlich zu sein, habe ich diese Affinität nie ganz verstanden. Ich selbst empfinde mich nicht als bewundernswerte Schönheit. Weniger ausgeprägte Gesichtszüge, hellere und sanftere Augen, eine grazilere Silhouette mit weniger Vorderfront im aufstrebenden Taillenbereich, goldblonde Locken statt kohlrabenschwarzer – das entspräche meinem Typus femininer Anziehungskraft. Glücklicherweise teilt Emerson diesen Geschmack nicht.
    Eine seiner großen gebräunten Hände lag neben meiner auf der Schiffsreling. Das war nicht die Hand eines feinen Herrn, aber mir erschienen die Schwielen und Narben auf diesen riesigen dunklen Pranken gewissermaßen wie Ehrenmale. Ich erinnerte mich an die unzähligen Gelegenheiten, als diese im Zuge unserer Arbeiten Waffen und Werkzeuge geschwungen hatten, und auch an die anderen, als sie bewiesen, wie zärtlich sie sein können.
    Emerson besitzt viele bewundernswerte Eigenschaften, aber Geduld gehört nicht dazu. In meine Tagträume versunken, antwortete ich ihm nicht gleich auf seine Frage. Er griff mich bei den Schultern und wirbelte mich frontal zu sich herum. Seine blauen Augen funkelten wie Saphire, seine Lippen gaben makellose weiße Zähne frei, und das Grübchen in seinem Kinn bebte unheilverheißend.
    »Warum zum Teufel antwortest du mir nicht?« brüllte er. »Wie kann dich ein solches Memento nur ungerührt lassen? Was bedrückt dich, Peabody? Ich will verflucht sein, wenn ich jemals die Frauen verstehe. Du solltest dem Himmel – und mir – auf Knien danken, daß dir soviel Glück zuteil wird. Wie du sicherlich weißt, war es nicht einfach, de Morgan davon zu überzeugen, uns das Grabungsgebiet zu überlassen. Es kostete mich ein erhebliches Maß an Feingefühl. Keinem außer mir wäre das gelungen. Keiner außer mir hätte das überhaupt gewagt! Und wie dankst du mir dafür? Indem du seufzt und Trübsal bläst!«
    Emerson gab sich wieder einmal seiner liebgewordenen Gewohnheit des Selbstbetrugs hin. Der Direktor der Antikenverwaltung, Monsieur de Morgan, hatte uns das archäologische Grabungsgelände, in dem er im Jahr zuvor gearbeitet und eine Reihe von bemerkenswerten Entdeckungen zutage gefördert hatte, angeboten. Allerdings hatte Emersons besagtes Feingefühl – eine Eigenschaft, die nur in seiner Vorstellungskraft existiert – damit überhaupt nichts zu tun. Ich war mir nicht ganz sicher, was für M. de Morgans Sinneswandel gesorgt hatte. Oder, besser gesagt, ich hatte bestimmte Verdachtsmomente, die ich lieber weit von mir wies. So war es der natürliche Verlauf der Dinge, daß ich von diesen Verdachtsmomenten die Entschuldigung für meine düstere Stimmung ableitete.
    »Ich mache mir Sorgen um Ramses, Emerson. Daß sich unser Sohn so schlecht benimmt, wo ich doch gehofft hatte, einmal eine Reise ohne irgendwelche Zwischenfälle erleben zu dürfen … Ich frage mich, wie vielen achtjährigen Jungen vom Kapitän eines britischen Handelsschiffs wohl schon angedroht wurde, über Bord geworfen zu werden?«
    »Das war doch nur ein Abschreckungsmanöver des Kapitäns, typisches Seemannsgarn«, erwiderte Emerson ungehalten. »So etwas würde er niemals wagen. Du kannst nicht wegen Ramses besorgt sein, Peabody, da er ständig irgendwelchen Unfug im Schilde führt und du das gewohnt sein müßtest.«
    »Irgendwelchen Unfug, Emerson? Ramses hat zwar eine Menge Unfug angerichtet, aber es ist meines Wissens das erste Mal, daß er eine Meuterei anzetteln wollte.«
    »Unsinn! Nur weil ein paar beschränkte Seeleute seine Vorträge über die Theorien dieses Burschen Marx mißverstanden haben …«
    »Er hat kein Recht dazu, der Mannschaft Vorträge zu halten – und vor allen Dingen hat er in ihren Kajüten nichts verloren. Sie haben ihm Alkohol gegeben, Emerson, ich weiß es ganz genau. Selbst Ramses hätte dem Kapitän nicht so unflätig geantwortet, wenn er nicht einen Schwips gehabt hätte.«
    Emerson sah aus, als wollte er widersprechen, da er meine Meinung jedoch offensichtlich teilte, schwieg er. Deshalb fuhr ich fort: »Vollkommen unverständlich ist mir, warum

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