Amerika
eine gute Stellung bekommen zu können. Viele Frauen stellten das Blasen ein und hörten zu; als er plötzlich abbrach, war kaum die Hälfte der Trompeten in Tätigkeit, erst allmählich kam wieder der vollständige Lärm zustande.
»Du bist ja ein Künstler«, sagte Fanny, als Karl ihr die
Trompete wieder reichte. »Laß dich als Trompeter aufnehmen.«
»Werden denn auch Männer aufgenommen?« fragte Karl.
»Ja«, sagte Fanny, »wir blasen zwei Stunden lang. Dann
werden wir von Männern, die als Teufel angezogen sind,
abgelöst. Die Hälfte bläst, die Hälfte trommelt. Es ist sehr schön, wie überhaupt die ganze Ausstattung sehr kostbar ist. Ist nicht auch unser Kleid sehr schön? und die Flügel?« Sie sah an sich hinab.
»Glaubst du«, fragte Karl, »daß auch ich noch eine Stelle bekommen werde?«
»Ganz bestimmt«, sagte Fanny, »es ist ja das größte Theater der Welt. Wie gut es sich trifft, daß wir wieder beisammen sein werden. Allerdings kommt es darauf an, welche Stelle du
bekommst. Es wäre nämlich auch möglich, daß wir, auch wenn wir beide hier angestellt sind, uns doch gar nicht sähen.«
»Ist denn das Ganze wirklich so groß?« fragte Karl.
»Es ist das größte Theater der Welt«, sagte Fanny nochmals,
»ich habe es allerdings selbst noch nicht gesehen, aber manche meiner Kolleginnen, die schon in Oklahoma waren, sagen, es sei fast grenzenlos.«
»Es melden sich aber wenig Leute«, sagte Karl und zeigte
hinunter auf die Burschen und die kleine Familie.
»Das ist wahr«, sagte Fanny. »Bedenke aber, daß wir in allen Städten Leute aufnehmen, daß unsere Werbetruppe immerfort reist und daß es noch viele solcher Truppen gibt.«
»Ist denn das Theater noch nicht eröffnet?« fragte Karl.
»O ja«, sagte Fanny, »es ist ein altes Theater, aber es wird immerfort vergrößert.«
»Ich wundere mich«, sagte Karl, »daß sich nicht mehr Leute dazu drängen.«
»Ja«, sagte Fanny, »es ist merkwürdig.«
»Vielleicht«, sagte Karl, »schreckt dieser Aufwand an Engeln und Teufeln mehr ab, als er anzieht.«
»Wie du das herausfinden kannst«, sagte Fanny. »Es ist aber möglich. Sag es unserem Führer, vielleicht kannst du ihm
dadurch nützen.«
»Wo ist er?« fragte Karl.
»In der Rennbahn«, sagte Fanny, »auf der
Schiedsrichtertribüne.«
»Auch das wundert mich«, sagte Karl, »warum geschieht
denn die Aufnahme auf der Rennbahn?«
»Ja«, sagte Fanny, »wir machen überall die größten
Vorbereitungen für den größten Andrang. Auf der Rennbahn ist eben viel Platz. Und in allen Ständen, wo sonst die Wetten abgeschlossen werden, sind die Aufnahmekanzleien eingerichtet.
Es sollen zweihundert verschiedene Kanzleien sein.«
»Aber«, rief Karl, »hat denn das Theater von Oklahoma so
große Einkünfte, um derartige Werbetruppen erhalten zu
können?«
»Was kümmert uns denn das?« sagte Fanny. »Aber nun geh,
Karl, damit du nichts versäumst, ich muß auch wieder blasen.
Versuche, auf jeden Fall einen Posten bei dieser Truppe zu bekommen, und komm gleich zu mir, es melden. Denke daran, daß ich in großer Unruhe auf die Nachricht warte.«
Sie drückte ihm die Hand, ermahnte ihn zur Vorsicht beim
Hinabsteigen, setzte wieder die Trompete an die Lippen, blies aber nicht, ehe sie Karl unten auf dem Boden in Sicherheit sah.
Karl legte wieder die Tücher über die Treppe, so wie sie früher gewesen waren, Fanny dankte durch Kopfnicken, und Karl ging, das eben Gehörte nach verschiedenen Richtungen hin
überlegend, auf den Mann zu, der schon Karl oben bei Fanny gesehen und sich dem Postament genähert hatte, um ihn zu
erwarten.
»Sie wollen bei uns eintreten?« fragte der Mann. »Ich bin der Personalchef dieser Truppe und heiße Sie willkommen.« Er war ständig wie aus Höflichkeit ein wenig vorgebeugt, tänzelte, obwohl er sich nicht von der Stelle rührte, und spielte mit seiner Uhrkette.
»Ich danke«, sagte Karl, »ich habe das Plakat Ihrer
Gesellschaft gelesen und melde mich, wie es dort verlangt wird.«
»Sehr richtig«, sagte der Mann anerkennend, »leider verhält sich hier nicht jeder so richtig.«
Karl dachte daran, daß er jetzt den Mann darauf aufmerksam machen könnte, daß möglicherweise die Lockmittel der
Werbetruppe gerade wegen ihrer Großartigkeit versagten. Aber er sagte es nicht, denn dieser Mann war gar nicht der Führer der Truppe, und außerdem wäre es wenig empfehlend gewesen,
wenn er, der noch gar nicht aufgenommen war,
Weitere Kostenlose Bücher