Amerika
die Leute auf allen Balkonen weinen.«
»Ich weiß es besser«, sagte Robinson und wischte nun die
Augen mit dem Zipfel seiner Decke. »Der Student, der nebenan bei der Vermieterin wohnt, die auch für uns kochte, hat mir letzthin, als ich das Eßgeschirr zurückbrachte, gesagt: ›Hören Sie einmal, Robinson, sind Sie nicht krank?‹ Mir ist verboten, mit den Leuten zu reden, und so habe ich nur das Geschirr hingelegt und wollte weggehen. Da ist er zu mir gegangen und hat
gesagt: ›Hören Sie, Mann, treiben Sie die Sache nicht zum Äußersten, Sie sind krank.‹ ›Ja also, ich bitte, was soll ich denn machen?‹ habe ich gefragt. ›Das ist Ihre Sache‹, hat er gesagt und hat sich umgedreht. Die anderen dort bei Tisch haben
gelacht, wir haben ja hier überall Feinde, und so bin ich lieber weggegangen.«
»Also Leuten, die dich zum Narren halten, glaubst du, und Leuten, die es gut mit dir meinen, glaubst du nicht.«
»Aber ich muß doch wissen, wie mir ist«, fuhr Robinson auf, kehrte aber gleich wieder zum Weinen zurück.
»Du weißt eben nicht, was dir fehlt, du solltest irgendeine ordentliche Arbeit für dich suchen, statt hier Delamarches Diener zu machen. Denn soweit ich nach deinen Erzählungen und nach dem, was ich selbst gesehen habe, urteilen kann, ist das hier kein Dienst, sondern eine Sklaverei. Das kann kein Mensch ertragen, das glaube ich dir. Du aber denkst, weil du
Delamarches Freund bist, darfst du ihn nicht verlassen. Das ist falsch; wenn er nicht einsieht, was für ein elendes Leben du führst, so hast du ihm gegenüber nicht die geringsten
Verpflichtungen mehr.«
»Du glaubst also wirklich, Roßmann, daß ich mich wieder
erholen werde, wenn ich das Dienen hier aufgebe?«
»Gewiß«, sagte Karl.
»Gewiß?« fragte nochmals Robinson. »Ganz gewiß«, sagte
Karl lächelnd.
»Dann könnte ich ja gleich anfangen, mich zu erholen«, sagte Robinson und sah Karl an.
»Wieso denn?« fragte dieser.
»Nun, weil du doch meine Arbeit hier übernehmen sollst«,
antwortete Robinson.
»Wer hat dir denn das gesagt?« fragte Karl.
»Das ist doch ein alter Plan. Davon wird ja schon seit einigen Tagen gesprochen. Es hat damit angefangen, daß Brunelda mich ausgezankt hat, weil ich die Wohnung nicht sauber genug halte.
Natürlich habe ich versprochen, daß ich alles gleich in Ordnung bringen werde. Nun, das ist aber sehr schwer. Ich kann zum Beispiel in meinem Zustand nicht überallhin kriechen, um den Staub wegzuwischen, man kann sich schon in der Mitte des
Zimmers nicht rühren, wie erst dort zwischen den Möbeln und den Vorräten? Und wenn man alles genau reinigen will, muß man doch auch die Möbel von ihrem Platz wegschieben, und das soll ich allein machen? Außerdem müßte das alles ganz leise geschehen, weil doch Brunelda, die ja das Zimmer kaum verläßt, nicht gestört werden darf. Ich habe also zwar versprochen, daß ich alles rein machen werde, aber rein gemacht habe ich es tatsächlich nicht. Als Brunelda das bemerkt hat, hat sie zu Delamarche gesagt, daß das nicht so weitergeht und daß man noch eine Hilfskraft wird aufnehmen müssen. ›Ich will nicht, Delamarche‹, hat sie gesagt, ›daß du mir einmal Vorwürfe
machst, ich hätte die Wirtschaft nicht gut geführt. Selbst kann ich mich nicht anstrengen, das siehst du doch ein, und Robinson genügt nicht; am Anfang war er so frisch und hat sich überall umgesehen, aber jetzt ist er immerfort müde und sitzt meist in einem Winkel. Aber ein Zimmer mit so viel Gegenständen wie das unsrige hält sich nicht selbst in Ordnung.‹ Daraufhin hat Delamarche nachgedacht, was sich da tun ließe, denn eine
beliebige Person kann man natürlich in einen solchen Haushalt nicht aufnehmen, auch zur Probe nicht, denn man paßt uns ja von allen Seiten auf. Weil ich aber dein guter Freund bin und von Renell gehört habe, wie du dich im Hotel plagen mußt, habe ich dich in Vorschlag gebracht. Delamarche war gleich
einverstanden, obwohl du dich damals gegen ihn so keck
benommen hast, und ich habe mich natürlich sehr gefreut, daß ich dir so nützlich sein konnte. Für dich ist nämlich diese Stellung wie geschaffen, du bist jung, stark und geschickt, während ich nichts mehr wert bin. Nur will ich dir sagen, daß du noch keineswegs aufgenommen bist; wenn du Brunelda nicht gefällst, können wir dich nicht brauchen. Also strenge dich nur an, daß du ihr angenehm bist, für das übrige werde ich schon sorgen.«
»Und was wirst du machen, wenn
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