Amnion 5: Heute sterben alle Götter
andere als Direktorin Donners Befehlsgewalt anzuerkennen. Weshalb haben Sie uns belegen, Mr. Fane? Dachten Sie etwa, Sie könnten sich durch einen Bluff aus der Affäre ziehen?«
Aber auch darauf war Cleatus Fane vorbereitet. Sein Kontakt zur VMK-GD deckte anscheinend sämtliche Erfordernisse ab. »Wäre ich nicht unterbrochen worden«, belferte er der Versammlung zu, ohne sich Zeit zum Nachdenken zu gönnen, »hätte ich Ihnen das gleiche gesagt. Aber es ist gar nicht entscheidend, daß keine offizielle Absetzung Dios’ erfolgt ist. Es kommt darauf an, daß er Generaldirektor Fasners rechtmäßige Anweisungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterlaufen hat. Bedarf es denn noch weiterer Beweise? Müssen Sie erst aus einem Protonengeschütz beschossen werden, um zu erkennen, was für einem ungeheuerlichen Fall von Verrat wir uns hier gegenübersehen? Warden Dios hat sein Amt mißbraucht. Er hat die VMKP verraten. Die gesamte Menschheit hat er hintergangen. Wie viele Verbrechen müssen denn noch ans Licht kommen, bevor Sie dagegen einschreiten?«
»Und wie?« fragte Koina, um Sixten Vertigus einen Ansatzpunkt zu geben. »Was genau soll nach Ihrer Meinung das Regierungskonzil tun?«
Der alte Raumschiffskapitän säumte keinen Augenblick lang. »Mein Abtrennungsgesetz verabschieden«, verlangte er mit vor Alter und Eindringlichkeit zittriger Stimme. »Jetzt sofort, solange wir dazu imstande sind. Die Polizei vom Einfluß der VMK befreien, damit ein Mensch wie Holt Fasner ihr nichts mehr vorschreiben kann.«
Grob schüttelte Fane den Kopf. »Das ist zu wenig.« Anscheinend war er wirklich auf alles gefaßt. »Dann könnte Warden Dios weiterhin anstellen, was er will. Ich habe eine bessere Idee. Das Regierungskonzil sollte die VMKP auflösen. Unverzüglich, noch in dieser Krisensitzung. Ihre Existenz als Körperschaft beenden. Und anschließend eine Neugründung mit jemand anderem als Polizeipräsidenten vornehmen. Mein Gott…!« Er schrie geradezu zum Himmel empor. »Irgend jemand! Wenn Sie diesen Quatsch über Generaldirektor Fasner wahrhaftig glauben« – seine Verachtung hallte von den Wänden wider –, »können Sie Kapitän Vertigus den Posten geben.« Die Geste, die er in Vertigus’ Richtung vollführte, glich einem Hieb. »Es ist egal. Nun kommt’s nur darauf an, am Leben zu bleiben. Und ein Ende mit diesen Lügen zu machen.«
Während sich Koina im Saal umblickte, in den Mienen der Konzilsdeputierten Verstörung und Furcht sah, unterlag es für sie keinen Zweifeln, zu welchem Vorschlag das Regierungskonzil neigte. Die Parlamentarier waren zu verängstigt, zu stark verunsichert, viel zu eingeschüchtert, um der Macht des Drachen zu trotzen.
Und Warden Dios war verloren.
MORN
Die Ruhe, die Morn erfüllte, nachdem sie den Entschluß gefaßt hatte, das Leben ihres Sohns und Warden Dios’ Leben in Angus Hände zu legen, wirkte tröstlich auf ihr Gemüt; doch sie währte nur kurz. Gleich darauf kam es zu reger Geschäftigkeit, weil jeder an seinen Platz eilte: Kapitän Ubikwe, Vector und Davies verteilten sich auf Sitze im Kommandomodul; Angus, Ciro und Mikka gingen an Bord der Posaune; Min Donner, die diensthabenden Offiziere der Rächer und Morn begaben sich in die Hilfssteuerwarte. Dem schloß sich die alle Konzentration erfordernde Tätigkeit an, das Kommandomodul und die Posaune abzukoppeln. Ungeduldig lehnte Min Donner an der Kommunikationskonsole, während Cray die Mitteilungen der Stationszentrale der Ohrhörer-Mikrofon-Kombination der Direktorin zuleitete. Zügig aktivierte Patrice die Steuerung. Voller grimmiger Befriedigung schaltete Glessen, endlich wieder auf dem gewohnten Posten, den Waffensysteme-Computer ein. Porson und Bydell befaßten sich gemeinsam mit der Inbetriebnahme der wichtigsten Monitoren, luden Scanningschematiken, Orbital- und Kursvektoren, Bordartillerie-Zielquadranten, und sobald Dolph Ubikwe den Interspatium-Scout vorsichtig auf Kurs zu der Amnion-Defensiveinheit lenkte, ergänzten sie die Darstellungen der Displays um Radarechos des Kommandomoduls und der Posaune.
Inmitten all der Betriebsamkeit setzte Morn sich in den Kommandosessel. Die Hilfssteuerwarte vermittelte gänzlich andere Eindrücke als die reguläre Brücke: Die durchs Bremsmanöver der Rächer hervorgerufenen Beschleunigungen waren hier von anderer Seite spürbar; es herrschten abweichende Druckverhältnisse und Geräusche. Und aus irgendeinem Grund war auch die Luft kühler. Man hatte den
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