Amnion 5: Heute sterben alle Götter
mittels der Sensoren unter Beobachtung zu halten: Sie mußte ihre Aufmerksamkeit anderen Angelegenheiten widmen.
Dolph Ubikwe verstummte. Die Lautsprecher schienen Eindrücke der Bestürzung und Empörung zu vermitteln. »Mikka«, knurrte er schließlich durch die Zähne, »soll das etwa bedeuten, daß Ciro drüben bleiben muß? Er die Granate persönlich zu zünden hat?«
»Wenn der Rest von uns überleben will, ja«, bestätigte Mikka in mattem Ton.
Eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht. Wenn die Materiekanonen der Stiller Horizont das Rächer-Kommandomodul und die Posaune nicht vernichteten, setzte die Defensiveinheit zweifellos Impacter-Geschütze, Laser und Torpedos ein. Dann fiele die Aufgabe, sie zu eliminieren, Direktorin Donners Raumschiffen zu. Der Amnioni könnte vor seiner Vernichtung noch unermeßlichen Schaden anrichten.
»So kommt er doch um!« schimpfte der Kapitänhauptmann. »Also, das verhält sich ja so, als ob wir selbst ihn eigenhändig ermorden.«
Die grausame Zumutung, Ciros Entschluß verteidigen zu sollen, wandelte Mikkas Gram in Zorn um. »Er hat sich freiwillig gemeldet«, brauste sie auf. »Es war seine eigene Idee.«
»Dann ist es Selbstmord«, antwortete Kapitän Ubikwes tiefe Stimme.
Unvermittelt verfiel Mikka ins Schreien. »Nein, ist es nicht!« Sie begriff selbst kaum, was sich eigentlich aus ihrem Innern Bahn brach, aber es flammte wie die Bordartillerie der Stiller Horizont. Sie schien ein ganzes Leben des Leids und der Wut ins Mikrofon zu schleudern. »Es ist Heldentum, Sie selbstgerechtes Arschloch! Wäre er ’n Astro-Schnäpper, würden Sie’s als weit über die Dienstpflicht hinausgehende Tapferkeit bezeichnen, verflucht noch mal, oder!«
Erschrocken über den eigenen Zornausbruch verstummte sie.
Dolph Ubikwe sah von einer direkten Entgegnung ab. Möglicherweise verstand er sie; vielleicht ahnte er, was es hieß, das Dasein einer Illegalen zu fristen. Oder er erkannte, daß keine Äußerung, gleich welcher Art, ihr ein Trost sein könnte.
»Herrje…«, brummelte er. »Er muß es von Anfang an so vorgehabt haben. Er hat ja schon tagelang davon gesprochen. Seit wann ist Ihnen klar, daß er…? Nein, behalten Sie’s für sich. Ich will’s gar nicht wissen. Guter Gott, Mikka, ich hoffe, Ihnen ist nicht auch nach solchen Heldentaten zumute. Ich habe noch keine Lust zu sterben.« Mehr sagte er dazu nicht.
Mikka Vasaczk biß die Zähne in die Unterlippe, bis sie Blut schmeckte. O verdammt, Ciro! stöhnte sie bei sich. Hast du eigentlich eine Vorstellung, was deine Tapferkeit mir abverlangt?
Sie war keine weiche Frau. Unter anderen Umständen hätte sie ihrem Bruder diese Frage wirklich gestellt und auf einer Antwort bestanden. Aber dafür mangelte es jetzt an Zeit.
»Da kommen sie«, rief Dolph Ubikwe als nächstes. »Richtig schnell. Zu schnell. Dahinter steckt reichlich heftiger Dekompressionsdruck. Wenn sie nicht abbremsen, ist zu befürchten…«
Die Ereignisse überschlugen sich, ohne noch beeinflußbar zu sein. Ein Schwall Bordatmosphäre schoß aus dem Amnion-Raumschiff und blies den Trupp kopfüber dem Rand des Erfolgs oder Untergangs entgegen.
»Ja!« johlte der Kapitänhauptmann. »Einer von ihnen setzt die Lenkdüsen ein, um zu bremsen. Jetzt tun sie’s alle. Bremsen, meine ich. Sie schwenken auf uns ein. Scheiße, das war knapp. Noch ein paar Sekunden mit der Geschwindigkeit, und sie wären zu wuchtig mit uns kollidiert, um es zu überleben.«
Mikka senkte die Hände auf die Kontrollkonsole. Sie hatte den Vektor längst geplant, den sie zu nehmen beabsichtigte, um der Schwerkraftballung der Singularität zu entgehen, eine Trajektorie in solchem Winkel zur Granate, daß Fliehkraft den kleinen Raumflugkörpern zu entwischen half. Und sie hatte die Befehlseingabe auf zwei Tasten beschränkt: eine für Schub und Steuerung, eine fürs Dispersionsfeld. Sie brauchte nur noch abzuwarten…
Angus und seine Begleiter mußten die Entfernung mit irrwitziger Schnelligkeit überbrückt haben, denn viel früher, als sie damit rechnete, hörte sie seine Stimme voller Erleichterung und Dringlichkeit aus den Lautsprechern keuchen. »Wir sind drin! Wir haben’s geschafft!«
Aber er gönnte sich keine Verschnaufpause, um sein Überleben auszukosten. »Jetzt oder nie, Mikka!« schnaufte er statt dessen. »Hol deinen Bruder zurück oder laß ihn sein Ding drehen. Du mußt dich nur zu etwas entschließen.«
Er durchschaute Ciros geistige Verfassung so genau wie
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