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Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Amnion 5: Heute sterben alle Götter

Titel: Amnion 5: Heute sterben alle Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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überhöhte Bürde der Stofflichkeit, und er schien durch Erleichterung und Dunkelheit zu treiben, als wäre er auf irgendeine unbeschreibliche, aber nachhaltige Weise aus seinem Körper entrückt.
    Im Laufe der letzten Tage hatte er gelernt, seinen internen Datenweg zu benutzen, ohne eigens daran denken zu müssen. Kalt informierte ihn der Interncomputer, daß seine Bewußtlosigkeit dreizehn Sekunden gedauert hatte. Also war er anscheinend nicht tot. Ein Toter verfügte wahrscheinlich nicht mehr über die Fähigkeit, durch das Fenster in seinem Geist dem Data-Nukleus Informationen zu entlocken.
    Alles jedoch, was ihn jemals niedergedrückt hatte, war fort: Masse, Fleisch; Furcht. Binnen dreizehn Sekunden hatte er seinen seelischen Abgrund überquert, einen inneren Spalt der Persönlichkeit, der an die Sprünge seiner Helmscheibe erinnerte.
    Deaner Beckmann hatte dahingehende Spekulationen angestellt, daß ein genetisch zum Verkraften extrem hoher G-Werte herangezüchteter Mensch im Innern eines Schwarzen Lochs leben, in eine vollkommen andere Art der Existenz eingehen könnte. Als Angus sich dessen entsann, fragte er sich unwillkürlich, was mit ihm geschehen sein mochte.
    Er zwinkerte mit den trockenen, wunden Augen, bis ihm Tränen übers Gesicht rannen. Allmählich zerfiel ringsum das Dunkel, verflüchtigte sich, als würde er wie Abgas durch einen überbeanspruchten Skrubber abventiliert, ins Vakuum entlassen. Nässe auf den Wangen, besah er sich die Displays der Brücke.
    Die Scanningortung funktionierte völlig störungsfrei. Aus irgendeinem Grund verblüffte ihn diese Tatsache: Er hatte die unkontrollierbaren Nachwirkungen eines Bosonensturms erwartet – oder die Spektrumsdistortionen innerhalb des Ereignishorizonts eines Schwarzen Lochs. Dopplereffekt-Informationen über die Annäherung ans Nichts. Statt dessen zeigten die Bildschirme Daten an, die er zu deuten verstand. Eine Steuerungsanlagen-Schematik markierte die Position des Kommandomoduls in Relation zum VMKP-HQ, zur Rächer, zu Min Donners übrigen Raumschiffen sowie den Orbitalstationen. Den Statusanzeigen zufolge hatten die Befestigungsflansche des Kommandomoduls die Posaune noch in festem Griff; daß die letzten Reste der Materiekanonen-Emissionen im All verwehten; die G-Belastung nicht mehr bestand; das Modul dicht geblieben war; das VMKP-HQ, die Rächer und andere Einheiten Funkkontakt herzustellen versuchten. Der Pulsator-Antrieb der Posaune war verstummt, der Interspatium-Scout und das Kommandomodul durchwanderten jetzt nachgerade gemächlich den entfernteren Abschnitt einer planetaren Umlaufbahn. Mikka mußte die Steuersysteme darauf programmiert haben, wenn sie das Bewußtsein verlor und das Schwarze Loch keine Gefährdung mehr bedeutete, automatisch das Abschalten des Antriebs und die Kurskorrektur zu übernehmen.
    Aber natürlich war es völlig logisch, daß die Ortung eindeutige, verständliche Daten anzeigte. Ciros Singularität hatte den Bosonensturm ebenso mühelos aufgesaugt wie die Stiller Horizont. Und seitdem hatten die Instrumente und Computer hinlänglich Zeit gehabt, um ihre Beziehung zur faktischen Realität wiederherzustellen.
    Morn hatte wegen der Gefräßigkeit des Schwarzen Lochs Bedenken gehabt. Ausreichend hohe Gravitation, um die Stiller Horizont zu schrumpfen, könnte vielleicht, hatte sie gemeint, auch das VMKP-HQ aus der Kreisbahn zerren; die Rächer und andere Raumschiffe anziehen, womöglich sogar die Erde bedrohen. Aber Min Donner hatte sie davon überzeugt, daß keine derartige Gefahr bestand. Anscheinend kannte die OA-Direktorin jede Spezifikation und sämtliche Kapazitäten aller von der VMKP konstruierten Waffen. Von ihr war Morn erklärt worden, daß kleine Schwarze Löcher heißer als große Singularitäten brannten – und je heißer sie brannten, um so schneller vernichteten sie sich selbst. Ein Schwarzes Loch mit der Masse eines Sterns konnte kühl genug bleiben, um sich an neuer Masse zu mästen und zu wachsen. Dagegen beschränkte ein Schwarzes Loch mit lediglich der Masse eines Planeten sich auf einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter – war trotz der gewaltigen Schwerkraft und einer Hitze, wie sie sich sonst nur im Kern einer Sonne messen ließ, ein winziges Objekt. Und Ciros Singularität hatte sich nur die Masse der Stiller Horizont zuführen können.
    Den Daten eines Bildschirms des Kommandomoduls ließ sich entnehmen, daß die gesamte Existenzdauer des Schwarzen Lochs 5,9 Sekunden betragen

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