Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Wir können uns ’ne ganze Weile treiben lassen, ehe wir uns wieder über irgend was den Kopf zerbrechen müssen.«
Dolph Ubikwe durchdachte die Situation. »Na, zum Donnerwetter noch mal«, murmelte er. Nach und nach drang ihm die Stimme wieder freier aus dem Brustkasten. »Das ist ja höchst erstaunlich. Durch und durch…«
Langsam verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. »Aber natürlich hatte ich vollkommenes Vertrauen zu Ihnen«, meinte er zu Angus. »Sie hinterlassen bei Menschen einfach ’n vertrauenswürdigen Eindruck. So ist es eben. Spontanes Zutrauen entsteht. Sie können selbst nichts dafür. Es ist gewissermaßen ähnlich wie Schnarchen, aber weniger feierlich.«
Ubikwes Augen glänzten humorig. »Ich habe keine Ahnung, wie Min Donner sich nun verhält. Irgend etwas muß sie ja tun. Wahrscheinlich sind Sie zu gefährlich, um weiterleben zu dürfen. Aber falls sie Ihre Liquidierung beschließt, setze ich mich unbedingt dafür ein, daß Sie vor Ihrem Abgang ’n Orden kriegen. Das verspreche ich Ihnen.« Er hob die Arme, als wollte er Dankesbeteuerungen abwehren. »Wer so etwas leistet, wie Sie’s geschafft haben, muß ganz einfach ’ne Auszeichnung erhalten, und wenn sie ihm anstatt an die Brust geheftet auf den Sarg genagelt wird.«
»Zu gütig«, grummelte Angus genauso ironisch. »Ich wünschte, ich fände Worte, um Ihnen zu sagen, wie herzlich ich mich freue. Leider ist das nicht der Fall. Mir ist vor Freude so schlecht, daß ich kotzen könnte.«
Weil er wußte, Dolph Ubikwe spaßte nur, ersparte er sich den Hinweis, daß er vollauf bereit war, für sein Recht auf Leben zu kämpfen.
Der Kapitänhauptmann lachte. »Ich kann Sie verstehen. Manchmal ist es, als bekäme man die Orden in die Brust gestochen. Glattweg durchs Herz. Es passiert, daß Leute sich davon nicht mehr erholen.« Vielleicht hätte er noch mehr Einlassungen von sich gegeben, doch in diesem Moment stieß plötzlich der VMKP-Polizeipräsident ein Stöhnen aus. Krampfhaft bewegte Dios die Hüften, als müßte er noch den Vektor seiner Lenkdüsen korrigieren. Dann riß er die Augen auf.
»Angus«, krächzte er heiser. »Kapitän Ubikwe… Wo sind wir? Was geht vor? Wo ist der Amnioni?«
Wahrscheinlich konnte er zum größten Teil erraten, was Angus, Dolph Ubikwe und Mikka Vasaczk vollbracht hatten. Aber er wußte nichts über Ciro…
Dolph Ubikwe war es unmöglich, ein Auflachen zu unterdrücken. »Futsch!« jubelte er. »Verschluckt von ’m Schwarzen Loch.« Und schließlich war es, als die Existenz des Schwarzen Lochs endete, als flüchtiger Schauer subatomarer Partikel ins All verteilt worden. »Ciro, Mikka Vasaczks Bruder, hat eine der Singularitätsgranaten der Posaune gezündet. In den Handbüchern, die ich kenne, steht zwar, daß die Dinger nur geringen taktischen Wert hätten, aber wenn man sie richtig anwendet, wirken sie Wunder, das dürfen Sie mir glauben.«
Die Stirn gerunzelt, rieb sich Dios das organische Auge, klatschte sich mit den Händen auf die Wangen, straffte den Rücken; raffte sich durch schiere Willenskraft zusammen. »Kapitänhauptmann Ubikwe«, befahl er in nachdrücklichem Ton, »fangen Sie noch einmal von vorn an. Ich habe von Ihrer Meldung kein Wort verstanden.«
Die Anordnung verbot Ubikwe jede weitere Laxheit. »Entschuldigung, Polizeipräsident.« Sofort wurde sein Blick düster; getrübt durch Gedanken an Ciro… Und an Vector. »Auf der Welt gibt’s nichts umsonst«, sagte er mit einem Seufzen. »Wir wollten sowohl Sie wie auch Suka Bator retten. Möglichst viel wollten wir retten. Es ist nur durch pures Glück erklärlich, daß es uns nicht entschieden mehr gekostet hat. Ciro Vasaczk war Illegaler. Er zählte zur Crew von Kapitän Succorsos Raumschiff. Aber heute hat er sein Leben geopfert, um den Amnioni zu vernichten.«
Angus überlegte, daß zur Begründung von Ciros Verhalten seine Reaktion auf Sorus Chatelaines Mutagen gehört hätte – das gleiche Mutagen, das Vestabule Polizeipräsident Dios eingespritzt hatte. Aber er brachte es nicht übers Herz, darauf hinzuweisen. Es müßte Ciro zum Irren abstempeln, und der Junge hatte etwas Besseres verdient.
Allem Anschein nach empfand Dolph Ubikwe genauso. Er ließ Ciros Vorgeschichte unerwähnt. »Er hat mit der Granate Externaktivitäten aufgenommen und sie am Rumpf der Stiller Horizont befestigt. Nachdem Sie an Bord gekommen waren, hat Mikka Vasaczk uns mit dem Pulsator-Antrieb der Posaune auf hinreichenden Abstand
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