Amnion 5: Heute sterben alle Götter
Antworten. Während des Weiterredens wuchs die Vehemenz des Polizeipräsidenten. »Und Holt Fasner lebt noch. Das garantiere ich Ihnen. Sein Firmensitz ist größtenteils intakt geblieben. Man sieht’s an den Scanningdaten.« Mit einer Kopfbewegung wies er auf die Monitoren. »Sie können darauf wetten, daß er für seine persönliche Sicherheit gesorgt hat, ehe er den Befehl erteilte, Suka Bator zu beschießen. Er ist noch am Leben. Viel schlimmer ist allerdings, er verfügt weiterhin über fast seine gesamte Macht. Alle Vertragswerke und Informationen, Datenspeicher und Druckmittel, die Gesamtheit dessen, worauf sein Einfluß wirklich beruht. Wahrscheinlich kann er die Hälfte der Konzilsmitglieder ruinieren, wenn Sie gegen ihn vorgehen. Er kann uns vollständig die finanziellen Grundlagen entziehen, auf die sich die Verteidigung gegen den Bannkosmos stützt. Herrje, wenn er will, kann er den ganzen Mist den Amnion verkaufen. Sie wissen, daß ihm unbeschädigte Raumschiffe und Interspatium-Kurierdrohnen zur Verfügung stehen. Es hindert ihn gegenwärtig absolut nichts daran, seine komplette Machtbasis in seine Interstellar-Yacht zu packen und ins Hyperspatium zu verschwinden.«
»Direktorin Donners Kordon würde…«, setzte Dolph Ubikwe ohne sonderliche Überzeugungskraft.
Nun verlor Warden Dios für einen Augenblick die Beherrschung. Er schwang die Faust in Richtung der Bildschirme. »Die Raumschiffe sind nicht in der passenden Position .« erwiderte er; brüllte Ubikwe beinahe an.
Angus glaubte ihm; trotzdem warf er, um sich davon zu überzeugen, einen Blick auf die an der Steuersysteme-Kontrollkonsole sichtbare Schematik. Es stand außer Frage: Auf der anderen Seite von Fasners Orbitalstation konnte ein Raumschiff ungeschoren das Weite suchen. Eine Tatsache, die interessante Möglichkeiten bot…
Dolph Ubikwes kloßige Gestalt sank ein. »Unterstellen Sie ihm wahrhaftig, er würde alles an die Amnion verkaufen?«
Dios verschränkte die Arme auf der Brust, als könnte er sich nur dadurch noch zurückhalten. »Die Amnion verstehen es, Föten einer Schnellwachstumsmethode zu unterziehen«, entgegnete er durch die Zähne. »Sie wissen, wie man Bewußtsein von einem auf einen anderen Körper überträgt. Sie haben die Mittel, um ihn unsterblich zu machen. Und wenn sie sehen, was er Ihnen mitbringt, werden Sie ihm diesen kleinen Gefallen gerne tun. Jawohl, nach meiner Überzeugung wird er so weit gehen. Darum möchte ich, daß Sie Angus und mich zu ihm fliegen lassen. Wir wollen ihm die Chose vermasseln. Ein für allemal. Bevor er die Gelegenheit findet, ein Verbrechen zu verüben, das alle anderen übertrifft, die er schon begangen hat.«
Nun verlegte er sich auf einen freundlicheren Tonfall. »Und es ist mir wichtig, daß Sie meinen Wunsch erfüllen können, ohne einer Anordnung der befehlshabenden Direktorin ungehorsam zu sein. Sie haben nicht verdient, daß so was sich in Ihrer Personaldatei niederschlägt. Deshalb sollen Sie erst mit ihr sprechen, nachdem wir abgeflogen sind.«
Dolph Ubikwe stützte die Stirn in die Hand und bedeckte die Augen, als wäre er Warden Dios nicht mehr anzuschauen imstande – oder den Blick des Polizeipräsidenten nicht mehr zu ertragen fähig. Einen Moment lang schwieg er; an seiner Schulter traten die Muskeln hervor, während er die Faust gegen die Schläfe preßte.
Er stöhnte unterdrückt. »Sie kommen nicht zurück, nicht wahr…« Er richtete keine Frage an Dios, sondern traf eine Feststellung.
Eisern behielt Dios die Contenance. »Was wäre der Zweck?« Ein Laut, der einem dumpfen Ächzen glich, drang durch Ubikwes Finger. Nun fehlten ihm die Worte.
»Na schön«, schnob Angus. Er mochte nicht mehr warten: Er wollte endlich wissen, woran er war. »Tun wir mal so, als wäre alles gescheit, was Sie da quasseln. Rundum vernünftig. Dann hätte ich nur noch eine Frage. Wie wollen Sie mich denn dazu ›überreden‹, Sie zu begleiten?«
Bedächtig drehte der Polizeipräsident seinen Andrucksessel, bis er Angus direkt ansehen konnte.
»Sie brauchen mich, das ist klar«, erklärte Angus. »Wenn Fasner noch lebt, kann er sich auch noch verteidigen. Für Sie allein dürfte es verdammt schwierig werden, sich ihn vorzuknöpfen. Aber warum sollte ich mich mit ihm abgeben?« Während seines ersten Gesprächs mit Dios, kurz bevor er mit dem Auftrag, Morn zu retten und Kassafort zu vernichten, aufgebrochen war, hatte Angus den durchdringenden, künstlich durch IR-Sicht
Weitere Kostenlose Bücher