Die Traumvektor Tetralogie - I.Ursprung (German Edition)
Spiegel
ich versuchte, die augen zu öffnen. doch die überraschende helligkeit des morgens veranlasste mich, sie sofort wieder zu schließen. in meinem kopf dröhnte es wie unter einer glocke, nur um ein vielfaches lauter. mein magen hatte ein starkes bedürfnis sein innerstes nach außen zu stülpen und befand sich dem gefühl nach schon in höhe meines kehlkopfes.
meine verknoteten gehirnwindungen versuchten herauszufinden, wie ich letzte nacht den weg nachhause gefunden hatte. doch wie ich feststellen musste, wies mein gedächtnis hier eine extrem breite lücke auf. ich wusste nur noch, dass mir spät am abend furchtbar übel geworden war und ich daraufhin einige whisky-cola hinunter spülte, mit der absicht, meinen revoltierenden magen zu beruhigen.
meinem gehirn war das, soweit ich die ereignisse der letzten stunden noch in erinnerung hatte, nicht gerade gut bekommen. zumindest war es, wenn ich seinen zustand richtig interpretierte, wenig erfreut über diesen etwas unglücklich gewählten besänftigungsversuch des magens gewesen. also hatte es, schnell beleidigt, wie es war, wieder einmal mein bewusstsein ausgeschaltet und mich ohne mein wissen und vor allem ohne mein wollen nachhause gehen, wahrscheinlich eher torkeln lassen.
nun lag ich also hier in meinem bett und fühlte mich nicht gerade wohl, um nicht zu sagen beschissen. ich kroch ganz unter die decke und versuchte noch einmal meine augen zu öffnen. langsam und vorsichtig.
ja es ging.
schmerzhafte blitze zuckten durch mein gehirn, hinterließen einen luftleeren raum, in dem es sich kurz danach der donner gemütlich machte. die welt zeigte sich mir zwar noch in ihrem verschwommensten kleid, doch meine augen waren jetzt offen.
das grauenhafte gewitter wollte nicht aufhören, und langsam hatte ich den verdacht, die leise ahnung, dass jedes einzelne meiner neuronen die wut an mir ausließ und sich für mein gestriges trinkgelage rächen wollte.
rächen wollte mit ganz einfachen mitteln: durch einen schmerzhaften selbstmord. andere wiederum schlossen sich fühlbar in gruppen zusammen und feuerten ununterbrochen auf mich los. jede noch so kleine bewegung meinerseits veranlassten sie, ihr werk nur noch intensiver fortzusetzen.
mir war übel, zum kotzen.
ich versuchte mich zu erinnern, was wohl der grund für meinen gestrigen außerplanmäßigen alkoholvernichtungstrip gewesen war. so wie ich mich fühlte, musste es ein sehr triftiger grund gewesen sein. dann fiel es mir ein und der schmerz wurde dadurch nur noch größer.
nun sah ich sie vor mir. klar und deutlich. unsagbare seelische qual breitete sich in meinem körper aus und schnürte mir die kehle zu. ich versuchte meine gedanken in andere bahnen zu lenken, um die herrschaft über meinen körper wieder zu erlangen, die mir so vollkommen entglitten war.
»ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, bei der mutter göttin, sollte ich diesen tag überleben, rühre ich keinen tropfen dieses zellenmordenden gesöffs mehr an.«
»höchstens ein paar wodka«, meldete sich eine meiner vielen subpersönlichkeiten.
»halt’s maul du säufer! du bist schuld an meinem desaströsen zustand«, dachte ich resignierend.
die projektion der uhrzeit an der wand sprang gerade auf 8:55. ich hatte vorgehabt um neun uhr vor meinem computer zu sitzen und endlich dieses verdammte modul, das schon seit tagen an meinen kostbaren nerven zerrte, zum laufen zu bringen.
konnten sich diese durchgestylten managertypen denn nie einig werden? waren sie nicht in der lage, einen einmal eingeschlagenen weg beizubehalten und ihre so unentbehrlichen analysen jedweder art endlich abzuschließen?
manager. ein haufen wichtigtuerischer idioten. keine ahnung, nicht einmal den geringsten funken einer vorstellung von den aufgaben, für die sie bezahlt werden.
trotzdem tun sie so, als hätten sie alles unter kontrolle und wären diejenigen, ohne deren aufopferndes, stressbehaftetes wirken diese welt schon längst untergegangen wäre, sich nicht weiterdrehen würde. dabei wäre ohne sie vieles so viel einfacher. viele probleme, mit deren lösung sie stunden und tage verbrachten, würden ohne sie erst gar nicht das licht der welt erblicken.
ach was, weshalb rege ich mich auf? der heutige tag ist so oder so verloren, jetzt kommt es nur noch darauf an, ihn zu überleben.
»grauenhaftes gebräu. weshalb bist du auch auf whisky-cola umgestiegen? wärst du bei wodka geblieben, wäre es nie so weit gekommen«, ätzte die einzige
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