Amnion Omnibus
keine Wahl hatte, als den Forderungen nachzukommen.
Doch Warden Dios war darauf eingestellt. Er hatte den Anlaß für das Auftauchen der Stiller Horizont von Anfang an durchschaut. Und was den Amnion von Milos Taverner ausgeplaudert worden war, hatte er sich denken können. Es überraschte ihn nur, daß Vestabule nicht auch auf Nick Succorsos Auslieferung bestand.
Wußte der Amnioni über Succorsos Schicksal Bescheid?
Weil Warden Dios nicht verblüfft war, blieb er Herr seiner Panik. Geringschätzig prustete er: »Und Sie sind noch Mensch genug, um zu ahnen, daß solche Forderungen jeden Menschen, der davon erfährt, dazu bringen, vor Wut auf Sie nach Ihrem Blut zu schreien. Sogar im VMKP-HQ würde, weiß Gott, eine Meuterei ausbrechen, käme irgend jemand auf die Idee, ich hätte auch nur im entferntesten die Absicht, diesen Bedingungen stattzugeben. Darum haben Sie es arrangiert, Ihre ›Ansprüche‹ ausschließlich mir persönlich zu unterbreiten. Im geheimen. Sie bilden sich ein, Sie könnten meine Einwilligung erlangen, ohne die Reaktion der Leute im VMKP-HQ fürchten zu müssen, ganz zu schweigen von der allgemeinen Empörung auf der Erde.
Sie glauben, ich funke der Posaune per Richtstrahl Befehle zu, die sonst niemand mitkriegt, liefere Ihnen Morn Hyland und die anderen aus, und sorge dafür, daß meine Streitkräfte Sie unbehelligt abfliegen lassen, so daß Sie bekommen, was Sie wollen, und ich erhalte, woran ich interessiert bin. Und ohne jeden Nachteil… bis ich den Leuten, denen ich zu dienen geschworen habe, mein heimliches Gekungel mit Ihnen beichten muß«, knurrte er. »Das haben Sie sich sehr schön und sauber ausgedacht. Leider hat es mehrere Schwächen.“
Stumm saß Vestabule da, als hätte der Begriff ›Schwächen‹ in der Sprache seinesgleichen keinerlei Bedeutung. Ich lehne es ab! hätte Warden Dios am liebsten geschrien, ja gebrüllt. Aber so weit zu gehen, war er noch nicht bereit.
»Erstens ist die Posaune gar nicht hier«, fügte er in eindringlichem Ton hinzu. »Und zweitens, wieso sind Sie der Meinung, daß man an Bord solchen Befehlen gehorchen würde, gäbe ich sie?“
Allem Anschein nach sah der Amnioni darin keine beachtenswerten Hindernisse. »Man wird aus demselben Grund gehorchen«, erwiderte er, »aus dem Sie die Befehle geben. Eine Ablehnung hätte den Verlust von Millionen Menschenleben zur Folge. Außerdem kann Ihre Befehlsgewalt über Ihren Cyborg die an Bord der Posaune befindlichen Personen zum Gehorsam zwingen.
Unsere Instrumente und die Scanninganlagen Ihres Sonnensystem stellen übereinstimmend fest, daß die Posaune sich sehr wohl hier befindet. Das Raumschiff ist vor kurzer Zeit eingetroffen. Aus Gründen, die Ihnen besser als mir bekannt sein dürften, ist es von einem VMKP-Polizeikreuzer durchs Hyperspatium befördert worden, den Ihre zuständigen Instanzen als den Kreuzer Rächer identifiziert haben.« Unwillkürlich prallte Warden Dios zurück. Er konnte nicht anders: Er brauchte die Schrecksekunde, um neuen Mut zu sammeln – oder seine Gedanken. Die Posaune war da? Herbefördert worden von der Rächer? Er bezweifelte Vestabules Angaben keine Sekunde lang.
Allerdings schwante ihm nicht im geringsten, welche Rückschlüsse er aus dieser Information zu ziehen hatte.
Auf alle Fälle jedoch spitzte die Ankunft der Posaune die Krise auf ihren Höhepunkt zu. Es war klar, daß Vestabule nun auf eine möglichst rasche Entscheidung drängte – und demgemäßes Handeln. Jede Verzögerung schwächte seine Position.
»Was unternimmt die Rächer?« erkundigte sich Dios, um Zeit herauszuschinden. Wieder sprach Vestabule Unverständliches ins Mikrofon und lauschte auf den Ohrhörer. »Ihr Zielcomputer hat uns anvisiert, so wie wir sie anvisiert haben«, berichtete er. »Bisher hat sie kein Feuer eröffnet. Die Ausrichtung ihrer Trichterantennen zufolge steht sie in Funkverbindung mit Ihrer Orbitalstation.“
Gut. Hashi Lebwohl würde die Rächer instruieren, Min Donner mitteilen, was auf dem Spiel stand – sowohl im Umraum der Erde wie auch auf der EKRK-Krisensitzung.
Den Entschluß, bei seinen Hoffnungen auf Hashi Lebwohls Tüchtigkeit zu bauen, hatte Warden Dios längst getroffen.
Er unterdrückte die Anwandlung, wieder einmal die Arme auf der Brust zu verschränken. Er gab dieser Angewohnheit viel zu oft nach: Viel zu häufig umschloß er sein bedrängtes Herz. Dieses Mal stützte er statt dessen die Hände auf die Oberschenkel.
»Warum schießen Sie nicht
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