Amnion Omnibus
betrachten unser Angebot als unannehmbar. Das haben Sie uns schon letztes Mal durchgegeben.“
Die Vorwürfe, die sie gegen ihn hätte erheben können, blieben stillschweigender Natur, aber hingen so klar wie ihre Stimme im Raum.
»Polizeipräsident Dios, ich scheue den Kampf nicht…“
Ein, zwei Herzschläge lang ließ sie den Satz unbeendet.
»Allerdings erachte ich einen anderen Ausweg als vorteilhafter. Richten Sie Vestabule aus, er kann statt Angus die Posaune haben. Sie ist intakt. Die Antriebsanlagen sind ausgefallen – es gab an Bord einen Sabotageakt –, alles übrige ist jedoch unbeschädigt. Data-Nukleus, Waffensysteme, alles.« Er kann die Posaune haben?
Voller Furcht und Staunen starrte Warden Dios den Lautsprecher an.
Die Posaune? Das ist genial.
Oder Irrwitz.
»Die Rächer hat kein Shuttle«, erklärte Morn Hyland.
»Deshalb benutzen Vector und Davies das Kommandomodul. Aber das ist kein Problem. Das Kommandomodul kann die Posaune im Huckepackverfahren überführen. Sagen Sie Vestabule…« – abschließend steigerte sie sich zu regelrecht forschem Tonfall –, »das ist unser letztes Angebot.« Bevor Warden Dios antworten konnte, schaltete Vestabule das Mikrofon ab und wandte sich frontal dem VMKP-Polizeipräsidenten zu. Sein Menschenauge blinzelte unbehaglich in der ätzenden Luft. Farben durchstrudelten seine Aura, die auf Verstörung hindeuten mochten.
»Der Vorschlag ist ungenügend«, teilte er mit.
»Er muß genügen!« schrie Dios ihn an. Inzwischen war es ihm einerlei, wieviel Verzweiflung man ihm anmerken konnte. Die Zeit war da, um Verzweiflung zu zeigen.
Bluffst du, du nichtmenschlicher Schuft?
Vestabule schüttelte den Kopf. »Sie haben keine Gewalt über Ihren Cyborg«, stellte er tonlos fest.
Vielleicht wollte er Warden Dios der Lüge bezichtigen.
Dios hatte behauptet, einen weiteren Code, der auf Angus Thermopyle Einfluß ausübt, zu kennen. Er hatte den Amnioni vorsätzlich irregeführt. Nun mußte er die Folgen tragen.
»In seinem Data-Nukleus muß ein Defekt aufgetreten sein«, schwadronierte er in beschwörendem Ton drauflos, nahm Thermopyle in Schutz, so gut er konnte. »Er hat von sich aus Änderungen vorgenommen, von denen ich bis eben nichts wußte. Dadurch dürften Teile seiner Programmierung hinfällig geworden sein. Wollen Sie deswegen auf Davies und Vector verzichten und Millionen von Leben auslöschen?« Die nächsten Worte knirschte er erbittert durch die Zähne. »Ich bin’s nicht gewesen, der ihm beigebracht hat, wie man KMOS SAD-Chips frisiert. Sie waren’s.« Noch einmal schüttelte Marc Vestabule den Kopf. Vielleicht war diese Geste der Verneinung der letzte Überrest seiner früheren menschlichen Identität.
»Dahinter verbirgt sich menschliche Hinterlist.« Wenn er das durchschaute, bluffte er nicht.
Dennoch ließ Warden Dios nicht locker. »Was verlangen Sie denn noch von mir?« krächzte er, als drohte er unter der Belastung zusammenzubrechen. »Sie kriegen Davies. Sie bekommen Vector. Sie können die Posaune haben. In Gottes Namen, Sie haben obendrein mich.
Was soll ich nach Ihrer Ansicht eigentlich alles erreichen können?“
Marc Vestabule benutzte sein Kehlkopfmikrofon nicht; beriet sich mit keinen anderen Amnion. Anscheinend fühlte er sich nicht zur Rücksprache mit der Besatzung der Stiller Horizont verpflichtet. Man hatte ihn mit Entscheidungsbefugnis ausgestattet.
Langsam streckte er seine menschliche Hand, den Handteller nach oben gedreht, Warden Dios entgegen.
»Geben Sie mir die Giftkapsel.“
Den einzigen Schutz für Dios’ Menschsein… Warden Dios’ Herz schien auszusetzen. Für einen ausgedehnten Moment musterte er Vestabule, versuchte einzuschätzen, wieviel der Amnioni überhaupt noch von Hinterlist verstand.
Doch Vestabules Miene machte klar, daß er in bezug auf die Verhandlungen seinen Spielraum ausgeschöpft hatte. Sein auf Dios’ Gesicht gehefteter Blick verhieß blankes, brutales Verderben.
Als er einsah, daß es keine andere Möglichkeit mehr gab, um die Menschheit vor Holt Fasner und einem Krieg zu retten, schob Dios mit einem Ruck die Atemmaske hob, klaubte Hashi Lebwohls schwarze Giftkapsel aus dem Mund und legte sie auf den Handteller des Amnioni.
Stoisch nahm Vestabule sie an sich. Seinen gegensätzlichen Gesichtszügen war keine Spur des Triumphs anzusehen.
Zum letztenmal aktivierte er das Mikrofon der Kommunikationskonsole, »Sagen Sie Morn Hyland, daß ihr Angebot angenommen ist. Wir erwarten,
Weitere Kostenlose Bücher