Amnion Omnibus
anzurichten oder darauf zu verzichten, bei ihm ausgelöst hatte.
»Hast du etwa gedacht, Dios rede Unsinn, als er mit mir gesprochen hat?« fragte er. »Mich nur spaßeshalber zum Zusammenklappen gebracht hat, um zu zeigen, daß er zu so was fähig ist? Du weißt es doch wohl besser. Du kennst ihn besser… Ihm stehen Codes zur Verfügung, von denen er mir nichts erzählt hat. Er kennt Befehle, die ich nicht mißachten kann. Aber er hat mir die Freiheit zurückgegeben.“
In Angus’ rauher Stimme klang Aufregung an. »Sobald er das Wort ›Apotheosis‹ aussprach, haben sich mir sämtliche Datenspeicher meines verdammten Interncomputers zugeschaltet. Die Mehrzahl ist eigentlich nur für Notfälle bestimmt. Ohne daß meine Programmierung erkannte, daß ich die Informationen brauche, konnte ich darauf nicht zugreifen. Aber jetzt ist alles für mich da. Ich habe jetzt komplette Kenntnis von dem Raumschiff.« Mit einem Ruck des Kopfs wies er in die Richtung der Posaune. »Und ich weiß alles, was die DA je über Ausrüstung, Waffen und Kapazitäten der Amnion herausgefunden hat. Scheiße, ich weiß sogar, warum ich so und nicht anders konzipiert worden bin.“
Nach und nach lockerte sich um den Pistolengriff Davies’ Faust. Unterm Gewicht von Angus’ Worten sank seine Hand herab. Genau wie Morn betrachtete er Angus, als wäre er auf einmal in einen Zustand völliger Hilflosigkeit verfallen.
Stumm und reglos wartete Min Donner ab, während Glessen Wundplasma auf ihre Hand schmierte und einen Verband anlegte. Ihre Augen bezeugten den Drang zu Gewalttaten, doch sie enthielt sich jeder Einmischung.
Alle anderen auf der Brücke hörten zu und bewahrten Totenstille.
Voller Eifer trat Angus näher.
»Aber das ist noch nicht alles. Das allein wäre für mich ohne größeren Nutzen. Erst als das Wort ›Vasektomie< fiel, ist meine Grundprogrammierung abgeändert worden. Das Verbot zum Schutz von VMKP-Mitarbeitern ist gelöscht. Ich habe Min Donner in die Hand geschossen. Du hast’s gesehen. Ich hätte sie in die Rübe schießen können, war’s meine Absicht gewesen. Wenn’s ihr eingefallen wäre, zu uns wieder unehrlich zu sein.« Plötzlich schwang er sich herum. »Ich könnte hier auf der Brücke«, schrie er wild, »jeden Affenarsch einzeln entzweischneiden!“
Nur habe ich’s nicht getan. Eine Sekunde später überkam ihn eine geradezu unnatürliche Ruhe. Wahrscheinlich harten seine Zonenimplantate eingegriffen. Ob es willentlich oder unwillkürlich geschah, blieb ohne Belang.
Er wandte sich wieder an Morn.
»Deshalb wirst du zu mir Vertrauen haben«, behauptete er. »Weil Dios mich hätte zwingen können zu tun, was er will. Ich bin der Ansicht, es gibt auch ein Codewort zu meiner Tötung, dessen Anwendung ihm offensteht. Oder er hätte die Möglichkeit, es dir zu nennen. Aber er hat nichts dergleichen getan. Statt mir die Pistole auf die Brust zu setzen, hat er mich freigelassen. Bevor ich von ihm nach Kassafort geschickt wurde, hat er erwähnt, es müsse Schluß sein. Mit Verbrechen wie meiner Unifikation.« Spontaner Zorn trübte seinen Blick. »Meiner Verwandlung in eine Maschine. Oder wie der Verheimlichung des Antimutagens. Damit müsse Schluß sein, hat er gesagt. Na, und in einer Beziehung hat er schon Ernst gemacht. Das Versprechen hat er gehalten. Sobald ich ihn von dem scheißverfluchten Amnion-Kriegsschiff geholt habe, frage ich ihn, wieso er ausgerechnet uns dafür ausgeguckt hat, für ihn unter die übrigen Verbrechen ‘n Schlußstrich zu ziehen.« Zu guter Letzt gestattete Angus sich eine Spur Sarkasmus.
»Wenn mir seine Erklärung nicht genügt, bringe ich ihn um.“
Nach wie vor sprach außer ihm niemand ein Wort.
Genau wie Min Donner warteten auch Davies und alle anderen Anwesenden auf Morns Stellungnahme.
Das Versprechen hat er gehalten. Ciro lächelte in die Runde. »Ich weiß Bescheid«, gab er nochmals bekannt. »Angus hat mir alles ganz genau gezeigt.« Mikkas Blick, während sie Morn ansah, bezeugte nichts als Hoffnungslosigkeit; war so voller tiefer Trauer, als wäre sie längst ein menschliches Wrack.
Weil sie schon so lange mit ihrem Hang zur Selbstzerstörung lebte, erkannte Morn, daß Ciro innerlich bereits tot war; sie und Mikka konnten überhaupt nichts mehr tun, um ihn noch zu retten.
Es hatte den Anschein, als stemmte sich Angus gegen das Kommandopult. »Ich sage dir alles, was du erfahren willst.« Ungeachtet seines Lechzens nach Freisein gab er sich alle Mühe, um
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