Amnion Omnibus
anfliegen. Hast du ‘ne Ahnung, was man dort für lebende Menschen zahlt? Ich kann dich im Handumdrehen abstoßen, völlig egal, wie überholt deine Informationen inzwischen sind, und genug einstreichen, um dafür zu zahlen, daß man mir dieses verfluchte Virus killt. Und wenn ich gerade dabei bin, kann ich diese blöde Nichtsnutzin Alba Parmute auch verscheuern und wahrscheinlich genügend Zaster für die Reparatur des Ponton-Antriebs kriegen.« Diese Drohung übertraf an Gräßlichkeit alles, was Morn erwartet gehabt, was sie sich ausgemalt hätte. Sie an den Bannkosmos verkaufen? Würde er das tun? Sie sah ihm nicht an, ob er es ernst meinte; noch immer kannte sie ihn zuwenig, um einschätzen zu können, wo seine Grenzen lagen. Sie unterdrückte eine Aufwallung der Panik und äußerte eilends Widerspruch.
»Und sobald du anfängst, Crewangehörige zu verkaufen, hast du ein für allemal jedes Vertrauen verspielt. An so etwas werden sich sogar Illegale wie deine Besatzung stören. Vielleicht kommt es sogar zur Meuterei. Du kannst nicht täglich vierundzwanzig Stunden lang auf dich aufpassen. Allermindestens werden deine Leute es überall erzählen. Dein Ruf wäre ruiniert. Dann bist du nicht mehr der Nick Succorso, der nie verliert, sondern der Nick Succorso, der seine eigenen Kumpane an den Bannkosmos verkauft.« »Soweit wird’s nicht kommen«, entgegnete Nick mit der Schärfe
eines Messers. »Ich verkaufe nur dich. Du bist von der VMKP, eine
Feindin. Dich zu verkaufen, wird mich, gottverdammt noch mal, zu einem Helden machen.« »Aber es wird dir zuwenig Geld einbringen.« Morn hatte das Empfinden, gegen Hochschwerkraft ankämpfen zu müssen, um mit Nick schritthalten zu können. »Du kannst das Virus killen oder den Ponton-Antrieb reparieren lassen, aber nicht beides. Sonst hast du ja, außer mir, nichts zu verkaufen.“
Nicks Blick brannte in ihrem Gesicht. Einmal nickte er, ehe er sich in den Sitz zurücklehnte. Seine Narben hatten etwas von der Farbe verloren; jetzt sahen sie fahlgelb wie alte Blutergüsse aus.
Trotzdem bezeugte sein Grinsen mehr Grimm, als Morn ihm je zuvor angesehen hatte. »Patt«, stellte er fest.
Er hatte recht. Jeder von ihnen hätte Mängel im Vorhaben des anderen entdeckt. Ihre Androhungen glichen sich gegenseitig aus.
»Nick«, sagte Morn langsam, »ich will mein Kind haben. Und ich will nicht an den Bannkosmos verkauft werden.« Beim bloßen Gedanken graute es sie bis ins Mark. Eher hätte sie sich in einem defekten Raumanzug auf EA eingelassen. »Wenn du irgendwelche neuen Vorschläge hast, ich höre.“
Daraufhin lachte Nick, als verspräche er ihr, daß es für sie niemals wieder Sicherheit geben sollte. Dann beugte er sich noch einmal vor und deutete mit dem Zeigefinger, als wäre er der Lauf einer Impacter-Pistole, direkt zwischen Morns Augen.
»Du liegst verdammt richtig, wenn du denkst, daß ich ‘n ›Vorschlag‹ habe.« Er flüsterte nahezu. »Die Sache ist dein Problem. Also mußt du es lösen.“
Den Finger noch auf sie gerichtet, stemmte er sich aus dem Sessel hoch und bewegte sich auf Morn zu.
»Verschaff mir Abhilfe gegen das Virus!« Morn starrte ihn an, war zu jeder Entgegnung unfähig.
»Wenn du das tust«, fügte Nick hinzu und verharrte unmittelbar vor ihr, »wenn du’s hinkriegst, daß mein Raumschiff wieder manövrieren
kann und gefechtsfähig ist, lasse ich dir dein Kind. Dann verkaufe ich dich nicht an den Bannkosmos. Wir fliegen woandershin, nicht nach Thanatos Minor. Wenn’s dir nicht gelingt...« – einen Augenblick lang ließ er die endgültige Drohung offen –, »dann wirst du die Abtreibung vornehmen«, sagte er leise. »Und du hältst den Mund über Funksprüche an die VMKP.“
»Nick...« Morns Kehle war wie eingeschnürt; es forderte ihr größte Mühe ab, Wörter hervorzuquetschen. »Wie kommst du auf die Idee, ich könnte ein Computervirus killen?« Ohne Bewegung ruckte sein Finger vorwärts, stieß hart in den empfindsamen Nervenknoten unter Morns Nase. »Wie kommst du auf die Idee«, fragte er gedämpft, als Morns Augen sich unfreiwillig mit Tränen füllten, »daß mich das interessiert?“
Damit verließ er die Hilfssteuerwarte; ließ Morn allein an der Datensysteme-Kontrollkonsole sitzen, während ihr die Tränen übers Gesicht strömten, als wäre sie unwiderruflich die Unterlegene.
Natürlich hatte sie noch gangbare Optionen. Es wäre leicht, die zweite Datensysteme-Kontrollkonsole zu aktivieren und eine neue
Weitere Kostenlose Bücher