Analog 06
versuchte Nunez, das Thema zu wechseln: „ Señor Crowell sollte zur Nachtzeit nicht in den Dschungel gehen.“
„Es war das letzte Tier, das ich tötete“, sagte Brooks. „Ich konnte es nicht so leiden lassen. Ich zwang mich zu … äh … einem sauberen Schuß, wie Crowell sagen würde. Dann habe ich meine Büchse für immer weggestellt.“
„Morgen“, sagte Nunez unbeholfen, „werde ich den Flugzeugvergaser zu Ende reinigen.“ Er erhob sich, wollte nicht länger miterleben, wie Brooks seine Gefühle enthüllte. „Das heißt, wenn Señor Crowell mich nicht bei der Morgenjagd benötigt.“ Er ging zu seinem Einmannzelt hinüber.
Brooks riß sich aus seinen melancholischen Gedanken. „Ich könnte Ihnen dabei helfen!“ rief er Nunez nach. „Früher habe ich meinem Vater immer geholfen, die Erntemaschinen zu reparieren.“
Crowell ging in einem Bogen auf den Fluß zu. Dabei vermied er alle Plätze, wo er sich durch das Unterholz hätte kämpfen müssen. Der Fluß war nur fünfzehn Meter vom Lager entfernt, und das Gelände war hier sehr offen, so daß er keine Mühe hatte, mit der Taschenlampe seinen Weg zu finden. Etwas raschelte im Gebüsch. Er knipste die Lampe aus und erstarrte. Wieder hörte er das Geräusch. Es war links von ihm und kam näher. Crowell konnte in der Dunkelheit ausgezeichnet sehen, und es fiel genügend Mondlicht durch die Baumkronen, daß er Formen und Schatten erkennen konnte. Vor ihm flog etwas durch die Luft. Es blitzte auf wie ein weißer Vogel, war aber viel schneller. Er hörte, wie es in die Büsche zu seiner Rechten klatschte. Ein Geschoß, sagte er zu sich selbst; jemand hatte etwas nach ihm geworfen. Er zielte mit dem Gewehr auf die Stelle, von der der Gegenstand gekommen war. Etwas schlug gegen seinen Unterschenkel, und fast hätte er das Gleichgewicht verloren. Für einen Sekundenbruchteil erhellte das Mündungsfeuer von Crowells Gewehr die Nacht, dann zog er sich eilig zurück.
Am Rande des Lagers warteten Brooks und Nunez auf ihn, aufgeschreckt und voller Fragen. Crowell versicherte ihnen, daß alles in Ordnung sei. „Im Fluß sind ein paar Fische gesprungen. Da habe ich einmal mein Glück versucht.“
In seinem Zelt untersuchte Crowell seine Beinprothese. Ein weißer Dorn ragte aus dem Kunststoff, ein kristalliner Gegenstand, der entfernt an Quarz erinnerte, ungefähr drei Zentimeter lang. Crowell umwickelte ihn mit einem Handtuch und zog ihn vorsichtig heraus. Die Spitze war nadeldünn und glänzte vor Feuchtigkeit. Er ging hinaus und suchte Nunez auf. „Sollten wir heute nacht nicht eine Wache aufstellen?“ fragte er.
„Si, Señor“, antwortete Nunez. „Wir wechseln uns ab und bewachen auch das Flugzeug. Hier leben einige Blaurockindianer, aber sie werden uns sicher aus dem Weg gehen. Aber Ladrones , das sind Männer, die stehlen, Männer, die vor den Gesetzen geflohen sind, die kann man überall finden.“ Crowell war einverstanden und teilte die Reihenfolge der Wachen ein.
Ungefähr um Mitternacht wurde Crowell von Geräuschen aus dem Schlaf gerissen. Er packte sein Gewehr und kroch aus dem kleinen Zelt.
Nunez, der mit der Wache an der Reihe war, schlug mit einem Stock auf den Boden vor Brooks Zelt. Der Mond stand genau über dem Lager, so daß Crowell alles gut sehen konnte.
„Fledermäuse, Vampire!“ erklärte Nunez. „ Señor Brooks, kommen Sie aus Ihrem Zelt. Es kann sein, daß Sie bluten.“ Mit schlaftrunkenen Bewegungen kroch Brooks aus seinem Zelt.
„Was ist denn los?“ fragte er. „Bin ich an der Reihe?“
„Setzen Sie sich hin“, sagte Nunez. Er knipste eine Taschenlampe an. „Ich will Sie einmal anschauen.“ Verwirrt gehorchte Brooks seiner Anweisung. „ Si, si, da haben wir es ja! Der Vampir hat sich an Ihrem Bein gütlich getan – sehen Sie Señor Crowell?“
„Was?!“ stieß Brooks hervor, mit einem Male hellwach. Er starrte auf den roten Punkt unterhalb seines Knies.
„Blutsaugende Fledermäuse“, erklärte Crowell. „Nunez hat eine erschlagen. Wir wollen sie uns mal ansehen …“ Er leuchtete mit der Taschenlampe über den Boden. „Donnerwetter, drei Stück sogar! Sie sind verdammt schnell, Señor Nunez.“
„Das ist ja ein Alptraum“, sagte Brooks. „Und ich habe einfach durchgeschlafen. Ich habe überhaupt nichts gespürt.“
„Sie haben Zähne wie Nadeln“, sagte Crowell. „Sie stechen eine Ader an, und dann hocken sie sich um ihr Opfer und schlecken das Blut auf wie Hunde am Wassernapf. Die
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