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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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in das Zimmer, in dem wir uns alle vor ungefähr drei Wochen getroffen hatten. Wir saßen uns gegenüber, zwischen uns brannte das Herdfeuer, während er als Geste eine Mahlzeit vorbereitete. Er sah zur Seite, während ich sie verzehrte, und erst nachdem ich den Teller zur Seite geschoben hatte, wandte er mir sein Gesicht zu.
    „Zu welchem Zweck habt Ihr mich aufgesucht?“ sagte er schließlich.
    „Genug ist genug. Lassen wir doch die formelle Sprache.“
    „Informelle Sprache ist nicht recht.“
    „Ich verstehe die formelle Sprache nicht!“
    „Das ist richtig.“
    Das Feuer spuckte, und eine Wolke von Funken schwebte nach oben.
    „Warum also seid Ihr gekommen? Um auf einem Kleineren herumzutreten?
    „Was ist das für ein Unsinn? Ich trete nicht auf Kleineren herum, wenn keine Kleineren da sind, auf denen ich herumtreten könnte.“
    „Oh doch.“ Seine Finger liefen zierlich auf dem Boden. „Hier ist ein kleiner Mann und ein großer Mann. Wo es zwei Männer gibt, ist immer einer klein und einer groß.“
    „In meiner Heimat kann es zwei große Männer geben – oder zwei kleine.“
    „Ihr seid nicht mehr in Eurer Heimat, Schiffbauer. Ihr seid in Kattar.“
    „Ich bin trotzdem der gleiche!“
    Er sah mich über das Herdfeuer hinweg an. Sein Gesicht war von den Flammen ausgehöhlt.
    „In Kattar könnt Ihr nicht der gleiche bleiben. Das zumindest müßtet Ihr wissen.“
    Unsere Gesichter schienen sich zu berühren. Das Feuer trennte uns, und zur gleichen Zeit zog es uns eng zusammen.
    „Ist Karnev selbst in Kattar?“
    „Karnev wird nie er selbst sein. Er war nicht er selbst, und selbst das ist verschwunden. Wer seid Ihr, Handelaston, der Ihr von den Sternen kommt?“
    Ich konnte ihm nicht antworten.
    „Wer ist Karnev?“ fragte ich zurück.
    „Es gibt keinen Karnev. Er ist weggegangen.“
    „Ich sehe Karnev jetzt vor mir. Wer ist er?“
    „Ihr seht nicht Karnev – Karnev ist weg. Karnev war der Schiffbauer.“
     

     
    Ich schaukelte auf meinen Fersen nach hinten.
    „Du bist noch immer Schiffbauer.“
    „Nein, ich stelle Schiffe her.“
    „Dann bist du ihr Erbauer. Niemand baut bessere Schiffe als du.“
    „Nein!“ Unsere Gedanken trennten sich, und ich sah in sein zorniges Gesicht, das von den Flammen zerbrochen wurde. „Ihr tretet auf mir herum, großer Mann! Ich bin nichts – Ihr seid der Schiffbauer, Ihr seid der Himmelspalter, Ihr seid Handelaston, der Schiffbauer!“
    „Das glaubst du doch gar nicht!“
    „Das muß ich glauben! Es war Euer Rumpf. Ihr habt ihn entworfen. Jener Rumpf war der beste, den ich je gebaut habe, und er ist am weitesten von allen geschwommen, die ich je gebaut habe, und selbst der ist nicht so weit gekommen! Sehen wir das, was wir nicht sehen wollen, bis wir gezwungen werden, es zu sehen?“
    Ich sah in den Hof zwischen dem langen, U-förmigen anderen Teil des Hauses und konnte kein Anzeichen von Leben entdecken. Die Räume, die in den meisten Häusern von dem Tumult einer Großfamilie, dem Geschimpfe von Verwandten, dem rollenden Meer von Kindern und ihren halbzahmen Haustieren widerhallten, waren hier zugenagelt. Nur an der Basis des U, wo wir saßen, fand sich noch Leben und auch das nur in den exzentrischen Feuern des Künstlers. War er erst einmal weg, so würde nicht einmal ein Lehrling seinen Platz einnehmen, und die Mauern aus Stroh und Lehm würden nur noch sich selbst in der Höhle umarmen, in der wir jetzt saßen.
    „Dieser Rumpf stammt nicht von mir“, sagte ich ihm endlich. „Ich habe so wenig daran gemacht, daß ich ihn nicht meinen Rumpf nennen kann.“
    „Alle Schiffe werden so gebaut. Die Kraft kommt nicht aus uns. Sie arbeitet durch uns, denn diese Kraft besitzt keine Hände. Wir sind ihr gleich, und wenn sie uns verläßt, so verläßt sie uns, ohne einen Gedanken an uns zu verschwenden. Meine Hände haben meine Schiffe gebaut, aber nicht ich. Wir waren beide Werkzeuge dieser Kraft.“
    „Das habe ich nicht gemeint. Meinen Rumpf haben Maschinen gebaut. Ich habe ihn nicht einmal berührt.“
    „Die Kraft tritt in verschiedenen Formen auf. Vielleicht war sie bereit, einen Rumpf zu bauen. Vielleicht war das ein Rumpf, für den Maschinen notwendig waren. Er hat Euch benutzt, um sich selbst zu bauen. Paßt auf, daß Euch der Kopf nicht zu sehr anschwillt, denn die Kraft wird sich einen neuen Weg suchen, und Ihr und Eure Maschinen werdet arbeitslos. Die Kraft wird Euch abstoßen. Der Kraft werdet Ihr gleichgültig sein.“
    Er rührte

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