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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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verstaute es.
    Ich ging leise ein letztes Mal durch die Straßen.
    Ich sagte Vekkar, daß ich Kattar früh am nächsten Morgen verlassen würde, und er warnte mich, daß sich dazu eine Menschenmenge einfinden werde.
    „Wie viele Menschen?“ fragte ich.
    „Alle Menschen“, antwortete er. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte.
    So ging ich statt dessen zum Strand hinunter, wo die Wellen wütend brachen, schüchtern hereinrollten und wieder ins Meer hinausgezogen wurden. Ich borgte mir einen Katamaran, setzte das Segel und fuhr ins Meer hinaus, ein Stückchen Kork, ein Treibholzsplitter auf der wogenden Brust der See. Ich segelte vor dem Wind nach Norden an Karnevs Bucht vorbei, aber für ihn war ich bloß ein weiteres Segel, und ich ging nicht an Land. Unsere Aufgaben waren getan, und neue eröffneten sich.
    Danach schwebte ich wie ein helles Blatt, das vom Atmen des Windes getragen wird, nach Norden, bis ich die Stelle erreichte, wo sich die Inseln in gebrochenen Stücken und winzigen Inselchen verloren wie der Schwanz eines Kometen, der nach Süden flog. Ich folgte ihm bis zu seinem Ende und warf vor einer felsigen Küste einen Seeanker aus, um dort liegenzubleiben und zuzusehen, wie die Sterne herauskamen.
    Ich legte mich auf die Persenning, und sie erschienen vor mir, eisblau und herrlich. Ich schlief.
    Ich werde nie wissen, wieviel davon Glück und wieviel die gleiche Bahn unserer Gedanken war. Tief in der Nacht erwachte ich von dem Geräusch von Wasser an Holz und sah auf, um weiter draußen im Meer einen weiteren Katamaran zu erblicken, auf dem die Segel gerefft wurden. Mein eigener konnte nicht gesehen werden, denn die Insel lag als großer, schwarzer Block hinter mir. Ich stand schwankend auf und hielt mich am Mast fest.
    „Hallo, Freund“, rief ich.
    Der Schatten auf der weit entfernten Persenning zuckte erschreckt zusammen. Mit der antwortenden Stimme hatte ich meine Antwort: Karnev.
    Wir näherten uns einander unter dem wundervollen Netz der Sterne. In der Tiefe glitzerte Phosphoreszenz, hundert Galaxien aus kaltem, grünen Feuer. Unsere Boote näherten sich, stießen fast zusammen und schaukelten in der stillen Luft. Wir konnten in der Dunkelheit unsere Gesichter nicht erkennen.
    „Was führt dich hierher, Mann von den Sternen?“
    „Ich wollte die Sterne sehen. Und du?“
    „Ich bin gekommen, um ihnen ein Geschenk zu machen.“
    Er griff nach unten und hob ein Bündel von der Persenning auf. Das Tuch fiel herab, und ich erkannte die dunklen, unnatürlichen Kurven. Sein Rumpfmodell.
    „Das ist ein guter Rumpf“, sagte ich leise.
    Er sah mich in der Dunkelheit an.
    „Es ist der beste Rumpf“, antwortete er.
    „Überlege dir, wie du mit derartigen Rümpfen segeln könntest.“
    Karnev saß schweigend da. Der juwelenbesetzte Horizont hob und neigte sich vor uns. Die Vertäuungen unserer Boote stöhnten gemeinsam.
    „Ich könnte diesen Rumpf bauen“, sagte er so leise, daß ich ihn kaum hören konnte. „Es wäre schwer, aber ich könnte ihn bauen, und er würde fliegen wie der Wind.“
    Die Sterne rotierten unendlich langsam über uns. Er stand auf, und die Persenning senkte sich unter seinem Gewicht. Seine Silhouette sah auf das Meer hinaus, zum Himmel hoch, hinaus zu der unsichtbaren Naht, wo die beiden perfekt ineinanderflossen. Er war eine schwarze Statue, die von dem Glanz meiner Heimat umrahmt wurde.
    Der Salzgeruch griff nach uns, die Phosphoreszenz wirbelte unter uns. Karnevs Rücken wurde gerade, sein Arm schoß nach vorne. Weit, weit weg durchbrach ein Platschen das Himmelsnetz und verschwand darin.
    „Ich werde langsame Schiffe bauen“, sagte Karnev schließlich. „Diese Schiffe werden meine eigenen sein.“
    Unter all den stillen Feuern gab es keinen Laut außer dem ruhelosen Rollen der See.
     
    KARNEVS WORLD
    by David Lewis
    aus ANALOG Dec. 7, 1981
    Übersetzung: Wolfgang Crass
    Illustriert von Broeck Steadman
     

Alison Tel Lure
 
Grünäugige Lady, lachende Lady
 
    „… so will es Ös, so befiehlt Ös, so geschehe es.“ Der Psalm endete. Junge Grünäugige Sie, von ihren Freunden Wink genannt, ließ allmählich die lang gehaltene Violettnote ausklingen. Sie war stolz auf ihre Fähigkeit, im heiligen Refrain die Frequenz Gottes präzise zu treffen und ohne Abweichung halten zu können, obwohl sie weder Priesterin noch Solistin war, sondern nur eine kleine Novizin. Aber das machte ihr nichts aus, es befriedigte sie sogar, wieder in der Anonymität des Chorus zu

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