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Analog 6

Analog 6

Titel: Analog 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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„Ich kann dich zu keinem von ihnen bringen, Hohe Herrin.“ ) Nun, sie wußte, wo sie nach den Antworten suchen mußte. Sie konnte sich die Privilegien durchaus auch selbst zunutze machen, die sie so offensichtlich erlangt hatte. Sie verließ ihr Gemach.
    „Wache!“ blitzte sie. „Bring mich …“ Sie verstummte und sah sich um. Das höhlenartige Tempelinnere war zu einem leuchtenden Farbenmeer geworden. Priester und andere Diener eilten geschäftig einher, wobei sie irrisierend funkelten. Denn gerade erfüllte ein riesiges blaues Auge das Bogenportal am Pier und ein langes, fragendes Pseudopodium farblosen Muskelgewebes bahnte sich schlängelnd einen Weg über den Steinfußboden. Wasser und Seepflanzen troffen herab, während es suchend in verschiedene Seitengänge griff …
    Oh ja. Sie war ja schon seit zwei, nein drei Nächten abwesend und hatte ihm keinerlei Nachrichten zukommen lassen.
    „Zu dir komme ich später !“ funkelte sie Himmelssänger zu. „Wache, schafft den Hohepriester herbei!“ Doch der Junge konnte lediglich zu der Erscheinung emporstarren. Seine Augenfühler zitterten.
    Die Erscheinung blinzelte zweimal nach Winks Bemerkung, dann wurde das Auge gefährlich zusammengekniffen. Doch der Tentakel stellte die Suche ein und zog sich zurück. Er wich vorsichtig den Weg zurück, den er gekommen war, wobei er lediglich noch ein paar Diener umwarf. Schließlich zog sich das Auge selbst in den See zurück, wendete aber den Blick nicht von ihr ab.
    „Nun?“ Sie stieß ungeduldig mit dem mittleren Fuß auf. Die Wache eilte davon.
    Der alte Rasch-Verändernde-Flecken begrüßte sie mit den Worten: „Was hast du nur über uns gebracht? Gott ist erzürnt! Wir sind verloren!“
    „Unsinn! Nichts ist geschehen. Aber ich habe dir einige Fragen zu stellen.“
    Sie machte ihrem Unmut Luft. Sie fühlte sich ausgenützt. Sie kam sich wie eine Närrin vor – wie eine zweifache Närrin. Während Himmelssänger zum Zentrum und einzigem Zweck ihrer Existenz geworden war – ohwohl Ös ständig das Gegenteil beteuerte, hatte er doch keinen Zweifel daran gelassen, was er erwartete –, hatten die orthodoxen Priester Vorkehrungen getroffen, der scheinbaren Bedrohung ihres Status entgegenzuwirken. Sie hatten einen speziellen Titel für sie geschaffen – einen, der außerhalb ihrer Hierarchie stand – und sie von der Bevölkerung isoliert. Die Wachen waren notwendig geworden, um sie vor Übergriffen eines zudringlichen Mobs zu schützen, wie die Priester die Pilger und Touristen nannten. Wahrscheinlich, so argwöhnte sie, hatte ihre Eskorte sie oftmals davor „beschützt“, alte Freunde oder Besucher mit Bitten und Gesuchen zu sehen, denen sie sehr gerne nachgekommen wäre. (Was konnte es schon schaden, wenn sie Himmelssänger deren Gebete übermittelte? Obwohl Ös kein Gott war, verfügte er doch über ein großes Wissen.) Man hatte ihr bestimmte Ereignisse deshalb vorenthalten, weil sie, die mit Gott kommunizierte, ihren halbgöttlichen Verstand nicht mit solchen trivialen Angelegenheiten besudeln sollte. Die Diener hatten immer alle Befehle Gottes ausgeführt, die sie überbracht hatte, was sie mit demselben geflissentlichen Eifer erledigt hatten, den ihre Vorgänger im Verlauf ungezählter Jahrhunderte an den Tag gelegt hatten. Doch üblicherweise war es ihnen gelungen, sie ihren eigenen Interessen gemäß umzubiegen. Beispielsweise handelte es sich bei den draußen versammelten Männern und Frauen hauptsächlich um Ausländer, die in der Hoffnung zur Stadt Gottes gepilgert waren, man würde ihnen Zutritt zu Gottes Ufer gewähren, um dort ihre Eier abzulegen und zu befruchten und um dort Mana zu erlangen. Doch da ihre Leibesfrucht von den lokalen Geschlechtslosen ausgebrütet wurde, hatte das eine ständige Zunahme der gewünschten Charakteristiken hier in der Stadt Gottes zur Folge – immer unter der strikten Kontrolle der Priesterschaft. Hatte Himmelssänger das beabsichtigt gehabt? Sie bezweifelte es. Sie hatte den Eindruck, daß Ös den Abänderungen und Abwandlungen seiner Pläne nicht die gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Bis zu welchem Ausmaß kümmerte Ös sich wirklich um ihr Volk? Oder war er so von der Rache besessen, daß keine der anfallenden Konsequenzen für ihn eine Rolle spielten?
    Doch zunächst mußte sie sich dringenderen Problemen zuwenden.
    „Bezüglich einer Frage hattest du recht, Verehrungswürdiger“, sagte sie trocken zu dem Priester. „Wenn ich mit Gott kommuniziere,

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