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Animal Tropical

Animal Tropical

Titel: Animal Tropical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pedro Juan Gutiérrez
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mein Sohn droht mir alles Mögliche an.«
    »Lies Simone de Beauvoir, und lös eine Revolution aus.«
    »Was ist das wieder?«
    »Nichts, nichts.«
    Einen Augenblick lang schwiegen wir.
    »Du hast mir gesagt, du wolltest im Krankenhaus arbeiten.«
    »Ach, komm mir bloß nicht damit! Das ist alles ekelhaft und widerwärtig, voller Totengeister!«
    »Warum?«
    »Mann, im Namen deiner Mutter! Die haben da Teile von Toten, in Konservengläsern. Arrghh!«
    »In der Leichenhalle vom Krankenhaus?«
    »Es ist ein echtes Horrorkabinett, ein Frankensteinfilm. O Mama! Glasbehälter mit Augen, Zungen, mit Stücken vom Herzen, ganze Hände, Gehirne, Knochen, Ohren. In einem Wägelchen wird alles herbeigekarrt. Ich muss sie abladen, im Register verzeichnen und in die Schränke einordnen. Aber es fehlen ihnen schon seit einiger Zeit die Angestellten, weil sie nur mickrige zweihundert Pesos im Monat zahlen. Wer, zum Teufel, will dort wie Dracula für zehn Dollar im Monat arbeiten?«
    »Na ja, du bist halt leicht zu beeindrucken …«
    »Nein, nein, du würdest nicht einmal einen Schritt dort hinein tun. Du würdest schon an der Tür auf dem Absatz kehrtmachen. Fünfhundert Gläser waren schlecht geworden. Daraufhin musste ich all diese verwesten Menschenteile herausfischen und sie verbrennen, musste die Gläser waschen und sterilisieren, damit man sie wieder verwenden konnte. Nee, nee!«
    »Sie bezahlen wirklich sehr wenig.«
    »Und wenn ich tausend Pesos im Monat bekäme. Zwei Stunden hab ich es ausgehalten, dann war ich weg. Und dabei habe ich mir einen Geist aufgehalst, von dem ich mich jetzt neun Tage lang befreien muss!«
    »Du taugst nicht für so was.«
    »All die Toten, die da ein und aus gingen. Immer dieselben. Vier waren’s.«
    »Was erzählst du da, Gloria?«
    »Ach, Süßer, das habe ich dir doch schon mehrmals gesagt. Ich kann Tote sehen. Manchmal. Das gefällt mir zwar nicht, aber es ist so. Dunkle Geister, die nicht aufsteigen. In den zwei Stunden, in denen ich dort war, spazierten vier Geister herum. Hin und her, hin und her, als hätten sie sich verlaufen.«
    »Das bildest du dir alles nur ein. Du hast zu viel Fantasie.«
    »Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht, aber ich muss es dir ja sagen. Ich weiß, dass du dich immerhin nicht lustig machst.«
    Ich schenke ihr Kaffee ein. Sie nimmt einen Schluck und zündet sich eine Zigarette an. Nachdenklich sieht sie auf den Boden und sagt zu mir: »Lass mich im Palermo tanzen.«
    »Nein.«
    »Na schön. Ich muss mein Leben leben, denn bei dir gibt’s zwar viel Liebe und viel Zärtlichkeit und den saftigsten Schwanz der Welt, aber mein Sohn und ich …«
    »Ja, ich weiß. Geld.«
    »Und bei Tony el Pelú geht’s nur ums Vögeln. Er ekelt mich so, dass ich nichts dagegen machen kann. Jedes Mal, wenn ich ihn auf mir liegen habe und sehe, wie er mir wie ein Wilder den Schwanz reinrammt! Ich habe richtig Lust, ihm einen Tritt zu verpassen und ihn mir vom Leibe zu schaffen. Und da fragt er doch tatsächlich noch: ›Warum ist deine Möse so trocken?‹ Aber ich muss weitermachen, denn wie er mich angesprochen hat, das war sehr anständig, und er hat mir gesagt, er könne mir achtzig bis hundert Pesos die Woche geben. Er ist ein sehr korrekter Mensch.«
    »Also jetzt reicht’s wirklich! Kein Wort mehr über diesen Idioten.«
    »Ach, spiel hier nicht den Macho, nachdem du letzte Nacht flennend davongelaufen bist.«
    »Flennend? Iiich?!«
    »Jawohl, duuu, genau duuu! Flennend wie ein kleines Mädchen. Glaubst du etwa, ich hätte es nicht bemerkt? Du hast dich umgedreht und bist weggegangen, damit ich dich nicht so sehe.«
    »Das gefällt dir. Du magst es, wenn Männer um dich weinen.«
    »Sprich nicht so mit mir, Süßer.«
    »Und wie soll ich mit dir sprechen?«
    »Anständig.«
    »Wenn du es dir verdient hast. Solange du kein Flittchen von der Straße bist …«
    Das Telefon läutet. Es ist Agneta. Sie ruft mich ein-, zweimal die Woche an. Sie will, dass ich im Sommer zurück nach Stockholm komme. Sonst kommt sie nach Kuba. Ich bin weder sonderlich an dem einen noch an dem anderen interessiert. Sehr fröhlich teilt sie mir jetzt mit: »Ich habe eine Überraschung für dich.«
    »Was für eine?«
    »Ich habe einen Flug nach Kuba gebucht, in zwanzig Tagen.«
    »Verdammt, du hast’s aber eilig, Herzchen!«
    »Was sagst du? Langsam, bitte.«
    »Dass ich mich sehr freue.«
    »Nur für vierzehn Tage. Das ist zwar kurz, aber …«
    »Es reicht, okay.«
    »Aber es steht noch

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