Anton und das Geheimnis im Finsterwald
Tanne.
„Und besonders in solchen Bäumen.“
Anton schluckte. Er traute sich kaum, die Tanne anzusehen. „Und Werwölfe?“, krächzte er. „Wo leben die?“
„In Menschen“, sagte Janna.
„Das weiß doch jeder!“
Wieder fing sie an zu lachen.
Wieder schepperte der Wald.
Und wieder rieselte buntes Laub herab.
Anton stand wie angewurzelt da und sah Janna an. Sie hatte den Blick in die Baumkronen gerichtet. Ein Sonnenstrahl brach durch das Blätterdach und fiel genau in ihre Augen. Und mit einem Mal war Anton sich ganz sicher: Dieses Mädchen war kein Mensch, sondern irgendetwas anderes. Ein Roboter, eine Hexe, womöglich sogar ein Dämon!
Und er, Anton, tat ganz sicher gut daran, wenn er sich so schnell wie möglich aus dem Staub machte und nie wieder etwas mit ihr zu tun bekam.
Blitzschnell drehte er sich um und dann rannte und stolperte er den schmalen gezackten Waldweg zurück, als ob der Teufel hinter ihm her wäre.
Tante Thea stand im Gemüsegarten.
Sie hatte eine grüne Schürze umgebunden
und trug einen Eimer und eine Spitzhacke.
Anton duckte sich hinter die Hecke.
Auf allen vieren krabbelte er zum Haus,
schlüpfte durch die Tür
und raste die Treppe hinauf
in sein Zimmer.
Seltsame Vorgänge
An diesem Abend ließ Anton die kleine Lampe brennen, die an dem Regal neben seinem Bett klemmte. Er schüttelte das Kissen auf und lehnte sich dagegen. Anton war fest entschlossen, bis zum frühen Morgen wach zu bleiben. Sicher war sicher.
Er schnappte sich das Abenteuerbuch von Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Die Geschichte über die beiden Jungen war superspannend und ziemlich gruselig. Wenn Anton es schaffte, sie zu Ende zu lesen, würde er die Nacht über garantiert kein Auge zukriegen. Um kurz nach neun klopfte es an die Zimmertür und Tante Thea kam herein. „Du hast dich heute aber dünne gemacht“, sagte sie, ließ sich auf der Bettkante nieder und strich Anton lächelnd übers Haar. „Ich habe gar nicht gemerkt, wann du heimgekommen bist“, meinte sie seufzend. „Na ja, wenigstens hast du die Schnitten und den Pudding gegessen.“ „Aber … “, wollte Anton schon widersprechen. Er hatte die Schnitten und den Pudding nämlich nicht angerührt, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass es besser war, wenn er dies seiner Großtante gegenüber nicht erwähnte.
„Schon gut“, sagte sie jetzt und strich ihm erneut über die Locken. „Du musst dich nicht entschuldigen. Ich hatte ja auch keine Zeit für dich. Den ganzen Vormittag habe ich Unkraut gejätet. Und am Nachmittag hatte ich einen Termin im Dorf.“ Sie musterte Anton durchdringend. „Du hast meine Nachricht doch gelesen, oder?“
Natürlich hatte Anton das nicht. Seit seiner fluchtartigen Rückkehr aus dem Wald hatte er sein Zimmer nicht mehr verlassen. Er hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Tante Thea weggefahren war. Und er merkte auch erst jetzt, in diesem Moment, wie hungrig er war.
„Und ?“, fragte Tante Thea.
„Hattet ihr Spaß im Wald?
Du und die kleine Janna?“
Anton nickte tapfer.
„Habt ihr den Bach gefunden?“,
wollte seine Großtante wissen.
„Nein“, sagte Anton.
Er seufzte leise.
Hoffentlich drang Tante Thea jetzt nicht noch weiter in ihn, sonst würde er ihr womöglich noch von Jannas unglaublicher Behauptung erzählen müssen. Doch zum Glück erhob sich seine Großtante nun wieder von der Bettkante.
„Na ja, er ist auch ziemlich schwer zu finden“, meinte sie. „Im Herbst ist er nur ein dünnes Rinnsal. Angeln hättet ihr darin sowieso nicht können.“
Sie nickte Anton noch einmal zu, wünschte ihm eine gute Nacht und tappte aus dem Zimmer.
Die Tür lehnte sie nur an, aber das war Anton ganz recht. Vor allem aber war er froh, dass es im Wald tatsächlich einen Bach gab. Janna hatte also nicht wirklich gelogen, sondern sich nur eine unheimliche Geschichte ausgedacht. Plötzlich musste Anton über sich selber lachen. Wie hatte er nur auf dieses Mädchen hereinfallen und ihre Schauermärchen glauben können? Bloß weil sie den Wald zum Scheppern brachte und ihre Augen ein wenig gruselig funkelten! Noch ein Mal würde er sich ganz bestimmt nicht ins Bockshorn jagen lassen!
Anton legte sein Buch zur Seite
und gähnte.
Er löschte das Licht
und kuschelte sich in die Bettdecke.
Im nächsten Augenblick war er
auch schon eingeschlafen.
Mitten in der Nacht schreckte Anton hoch.
Er hatte von einem riesigen Teller voller Schnitten geträumt, die mit Käse,
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