0183 - Schüsse aus dem Geigenkasten
Die drei Männer standen in einem Hausflur in der Frist Avenue zwischen der 106. Und 107. Straße. Es waren Italiener, wie die meisten Leute, die hier die Bürgersteige füllten. Einer davon trug etwas unter dem Arm, das aussah, wie ein zu groß geratener Geigenkasten. Die beiden anderen hatten die Hände in den Hosentaschen vergraben, und alle drei schienen auf irgendetwas oder auf irgendjemanden zu warten.
Über die First Avenue rasselten schwere Trucks, holperten Gemüsekarren. Am Straßenrand feilschten schwarzlockige Hausfrauen, die Oliven, Käse, Makkaroni, Teufelsfische, Rasierklingen, knallige Krawatten und italienische Eiscreme verkauften. Man hätte sich an den Markt von Neapel versetzt glauben können.
Auf den Balkons der fünfstöckigen grauen Häuser flatterte farbige Wäsche, und unzählige, mehr oder weniger schmutzige Kinder lachten, heulten und prügelten sich.
Das alles schien die drei Männer im Flur des Hauses mit der Nummer 2073 nicht zu stören. Erst als ein für diese Gegend, viel zu pompöser Cadillac stoppte, erwachten sie zum Leben.
Der eine nestelte am-Verschluss seines Geigenkastens, und die beiden anderen nahmen die Hände aus den Taschen.
Dem Cadillac entstieg ein dicker, ungefähr 45jähriger, auffällig gekleideter Mann, dem zwei andere auf dem Fuß folgten. Dem Mann selbst hätte man kaum Beachtung geschenkt, aber wer seinen Begleitern ins Gesicht sah, würde sich in einen Zoologischen Garten versetzt fühlen. Wenn es jemals zwei Gorillas gegeben hatte, so waren sie es.
Der Dicke ging mit kurzen, schnellen Schritten die Straße entlang. Seine Leibwächter hielten sich einen halben Schritt hinter ihm. Die Passanten machten ehrfurchtsvoll Platz. Viele grüßten und bekamen ein Kopfnicken zur Antwort.
Der Mann heiß Vico Carlani. Er war »Geschäftsmann«. Böse Zungen behaupteten, er sei einer der Hauptmacher einer Gesellschaft, die offiziell nicht mehr existierte.
Diese Gesellschaft nennt man »Die Mafia«, deren Mitglieder mit den Einwanderern aus Sizilien herübergekommen sind, und deren Wahlspruch lautet: »Töte, schweige, herrsche.«
Es gibt noch andere derartige »Clubs« in den USA, aber davon später.
Jetzt waren Carlani und seine beiden Wachhunde in der Höhe des Hauses Nummer 2073 angelangt.
Als die erste Garbe aus der Maschinenpistole aus dem Hausflur peitschte, war die Straße im Nu leer gefegt. Nur der dicke Mann und einer seiner Leibwächter lagen regungslos auf dem Bürgersteig.
Der zweite hatte sich mit drei schnellen Sprüngen in den Wagen gerettet, der heulend anfuhr, und aus dessen Fenster die Antwort in den Hausflur bellte Sie erwischte einen der drei Banditen, der die Arme hochwarf und schwer aufs Gesicht schlug. Die anderen verschwanden im Gewirr der Hinterhöfe Vico Carlani war ebenso tot wie sein Leibwächter. Beide waren von Kugeln durchsiebt worden. Der Wagen stund am Straßenrand, und immer noch drohte die stumpfe Nase der Maschinenpistole.
Langsam wagten die Passanten und Bewohner sich aus ihrer Deckung Die Neugier überwog die Furcht. In nächster Nähe heulte die Sirene eines Polizeiwagens. Der Cadillac machte einen Sprung nach vorn und brauste um die Ecke.
Als die Cops ankamen, lagen nur noch die drei Toten auf den Steinen.
Alles dies wäre nicht einmal etwas Außergewöhnliches gewesen. Es war ein Gangstermord, wie er immer wieder vorkommt. Nur, dass es gerade Vico Carlani erwischt hatte, war ein üble Sache, und das war der Grund, aus dem wir, Phil Decker und ich, aus unserer beschaulichen Ruhe aufgescheucht wurden.
***
Als das Telefon auf meinem Schreibtisch klingelte, und Mr. High, der Chef des Federal Bureau of Investigation US Department of Justice, New York District, uns bat, sofort zu ihm zu kommen, wussten wir bereits, dass etwas faul sein musste.
»Setzen Sie sich«, forderte der Chef uns auf, und seine Miene war sorgenvoll. »Lieutenant Crossswing von der City Police teilt soeben mit, dass Carlani in der First Avenue erschossen worden ist. Er, sein Leibwächter und einer seiner Mörder haben ins Gras beißen müssen. Der Killer heißt Mario Farani. Lieutenant Crosswing behauptete, er gehöre irgendwie zum ›Syndikat‹. Ich lasse seine Karte gerade heraussuchen.«
»Zum Teufel«, stöhnte Phil. »Da haben wir ja den herrlichsten Gangsterkrieg zu erwarten. Bis jetzt haben sich die Bosse der Mafia und des Syndikats nicht gebissen. Letzten Endes ziehen sie ja beide am selben Strang. Wenn die sich in die Haare bekommen haben,
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