Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arbeit und Struktur - Der Blog

Arbeit und Struktur - Der Blog

Titel: Arbeit und Struktur - Der Blog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Herrndorf
Vom Netzwerk:
fürchte, daß sie Maßnahmen ergreift, wenn ich mich nicht verständlich machen kann.

    22.2. 2013 14:31

    Aus Angst vor weiterer Grenzverletzung aus dieser Richtung schließe ich die Mailingliste für Aktuelles, auf der viele, eigentlich alle meine Bekannte und Freunde mitlesen. Ich weiß nicht, ob ich paranoid bin. Keine Fragen, schreibe ich, keine Mails, keine SMS, don’t call us we call you.

    Okay, ich bin paranoid.

    22.02. 2013 21:30

    Überstürzte Verabredung im Deichgraf. Drei Freunde, die ich ewig nicht gesehen habe, vier. Seit Wochen kein Sozialleben gehabt. Außer C., Ärzten und Supermarktkassiererinnen niemanden gesehen.

    Cornelius ist der Schnellste. Unverzüglich stellt Normalität sich ein. Caroline, Kirk und Larry. Gruppensituation funktioniert überraschend gut, toll, Riesenfreude mit Schlagseite zur Manie.

    23.2. 2013 4:41

    Traum: Ich sitze am Abend mit Cornelius im Deichgraf, um ihm eine Geschichte zu erzählen, in deren Verlauf meine persönlichen Grenzen von außen, bildlich gesprochen, mit einem Bulldozer planiert werden, und ich erwarte, daß er mir zustimmt, daß dieser entsetzliche Vorgang tatsächlich genau so zu werten sei, wie ich es tue.

    Ohne Frage, ja, erklärt er sofort in der corneliustypischen Weise, emphatische Zustimmung immer noch einmal signalisierend, ein regelrechter Exzeß der Zustimmung, ja, entsetzlich in der Tat, wiederholt er, um die Zustimmung jedoch sogleich einzuschränken: Denn eines hätte ich bei alledem doch nicht bedacht: Daß arschlange, blonde Haare und blaue Augen schon sehr geil seien.

    Ja, zweifellos, richtig, beeile ich mich beizupflichten, seine Zustimmung nachahmend, jawohl, wobei ich meinerseits nun auch einschränken müsse, wie auch er, Cornelius, mit Recht einschränkte, daß er bei seiner Argumentation außer acht gelassen habe, daß nämlich er, Cornelius, einen ganz anderen Typ bevorzuge als ich, mein Typ sei doch bekanntlich der dunkle, nicht der helle, was von meinem Gegenüber mit einem begeisterten Kopfnicken abermals sogleich bestätigt wird, womit auch dieses Problem, die Beurteilung der Vorgänge des Vortags betreffend, zur allgemeinen Zufriedenheit aus der Welt geschafft sein dürfte und auch im Traum noch einmal und endgültig ad acta gelegt werden kann.

    23.2. 2013 12:47

    Weiter psychotisch, weiter keine Arbeit, was praktisch dasselbe ist. Zutiefst erschöpft, aber zurück ins Bett kann ich nicht. Im Liegen zucken die Beine wild, der ganze Körper, keine Epilepsie, keine Aura, keine Sprachblockade, einfach nur Panik. Aufstehen, rumlaufen, hinlegen, zucken, aufstehen. Kurz davor, in meinem imaginären Pinguinkostüm rüberzugehn in die Notfall, aber die Gefahr, nicht wieder rauszukommen, ist zu groß. Oder verursacht mir noch mehr Angst. Am Telefon mit C. entschieden, ich müsse weiterarbeiten, denn nur Arbeit hilft. Alle Panik ja immer nur dem Gedanken an die verlorene Arbeitszeit geschuldet.

    23.2. 2013 14:47

    Würde die Arbeit am Blog am liebsten einstellen. Das Blog nur noch der fortgesetzte, mich immer mehr deprimierende Versuch, mir eine Krise nach der anderen vom Hals zu schaffen, es hängt mir am Hals wie mein Leben wie ein Mühlstein. Ich weiß aber nicht, was ich sonst machen soll. Die Arbeit an Isa tritt auf der Stelle.

    24.2. 2013 17:30

    Mit Textausdruck im Deichgraf, um beim Essen Korrekturen zu machen, nichts geht. Meine vor wenigen Sekunden aufs Papier geworfenen Gedanken mir selbst komplett unnachvollziehbar, alles dunkel, nicht zum ersten Mal. Beim Spaziergang um den See dann zum ersten Mal gecheckt, daß diese auch mit äußerster Willensanstrengung und Konzentration nicht in den Griff zu kriegenden Zustände keine Folge unwiderruflicher Hirnauflösungsprozesse überm Text in Verbindung mit extremer Schlappheit sind, sondern von mir selbst unbemerkte und von keiner Aura eingeleitete lautlos vorbeireitende Anfälle.

    Scheint mir jedenfalls so und wird zur Gewißheit, als der Versuch, deutsche Gedichte zu memorieren, nur noch Fetzen und sowas Ähnliches wie englische Liedtexte produziert.

    Gedichte und Englisch ja immer mein Maßstab, scheinen aus welchem Grund auch immer im Zentrum meiner Anfälle zu liegen. Über den Gipfeln ist nobody, dings über den Wipfeln die Vögel im Wald, da – am Ende Ruhe.

    1.3. 2013 19:18

    C. holt etwas in ein rot und weiß kariertes Mäntelchen Gehülltes aus ihrer Tasche. Ich betrachte es, C. betrachtet mich. Wahrscheinlich erwartet sie eine Reaktion. Aber ich kann nicht

Weitere Kostenlose Bücher