Arbeit und Struktur - Der Blog
reagieren, weil ich nicht weiß, was das ist.
Ratlos drehe ich es hin und her. Erst beim Anblick einer sonderbaren Falte im Mantel hinten beginnt sich in das Gefühl der Fremdheit langsam etwas anderes mit hineinzuschleichen, etwas nicht mehr ganz so Fremdes, geradezu grauenvoll Vertrautes: Zwei Arme, zwei Füße, kleine Zunge, schwarze Augen, und im Bruchteil einer Sekunde zerfallen vier Jahrzehnte zu Staub. Da muß ein Druckknopf sein, sage ich, und da ist ein Druckknopf: Der Bär. Willkommen, alter Gefährte.
Fassungsloser und entsetzter könnte ich nicht sein, hätte sich direkt neben mir statt des Bären der über alle Zeit unverändert gebliebene siebenjährige Stefan Büchler wie aus dem Nichts materialisiert, braungebrannte Beine, kurze Hosen, eine kleine Deutschlandfahne in der erhobenen Hand.
5.3. 2013 13:14
So könnte ich ewig sitzen. Zum ersten Mal in meinem Leben eine richtige Wohnung, schön und groß und licht und still. Ein Fenster mit Blick über die Stadt, und alles, was man durch dieses Fenster sieht, ist groß wie großes Kino. Ein Liter Tee, ein Buch, blauer Himmel, Sonne.
“Die Frevler aber holen winkend und rufend den Tod herbei und sehnen sich nach ihm wie nach einem Freund; sie schließen einen Bund mit ihm, weil sie es verdienen, ihm zu gehören. Sie sagen: Kurz und traurig ist unser Leben; für das Ende des Menschen gibt es keine Arznei und man kennt keinen, der aus der Welt des Todes befreit. Durch Zufall sind wir geworden und danach werden wir sein, als wären wir nie gewesen. Der Atem in unserer Nase ist Rauch und das Denken ist ein Funke, der vom Schlag des Herzens entfacht wird; verlöscht er, dann zerfällt der Leib zu Asche und der Geist verweht wie dünne Luft. Unser Name wird bald vergessen, niemand denkt mehr an unsere Taten. Unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke und löst sich auf wie ein Nebel, der von den Strahlen der Sonne verscheucht und von ihrer Wärme zu Boden gedrückt wird. Unsere Zeit geht vorüber wie ein Schatten, unser Ende wiederholt sich nicht; es ist versiegelt und keiner kommt zurück.” (Weish 1,16;2,1-5)
6.3. 2013 5:53
Guten Morgen, Sterne
Guten Morgen, schwarzer Kanal
Guten Morgen, Schornsteine, Brücken, Hochhäuser und Kräne
Guten Morgen, Viertelmond
Guten Morgen, goldschimmernde Viktoria
Guten Morgen, S-Bahn
Guten Morgen, andere Bahn
Guten Morgen, weißer Kanal
Guten Morgen, Morgenröte
Guten Morgen, Berlin
12.3. 2013 13:26
Kaum wieder auf den Füßen, die nächste Irre. Über einen alten, längst gesperrt geglaubten und ihr vor Jahren bereits mehrfach verbotenen Zugang klickt Jana via Dropbox durch meine persönliche Dateien. Sie schreibt, sie hätte mich vorher wahrscheinlich fragen müssen: “Darf ich reinschauen, ohne irgendwas zu ändern oder zu kommentieren, oder ist dann Chaos?”
Kein Chaos, nur Riesentobsuchtsanfall, Mailingliste dichtgemacht, Kontakt zu allen Freunden abgebrochen, Nervenzusammenbruch. Abbruch Stunden später wieder rückgängig gemacht, jedenfalls teilweise. Jetzt halten mich wieder alle für verrückt, nur weil Verückte mich belagern. Neben meiner Tür nun ein 35 cm langes Brotmesser. C. dagegen, aber ich stehe auf dem gleichen Standpunkt wie Horst Fricke: Die oder ich.
12.3. 2013 21:35
Spaziergang zum See, die Steinstufe ist verschwunden. Ohne den Hauptweg zu verlassen, verirre ich mich. Ich entdecke einen verborgenen Zugang zur Bucht. Ich kralle mich an einem Zaun fest. Das Eis braucht nur noch drei oder vier Nächte. Ich renne weiter den Weg, wenn man das, was ich da mache, noch rennen nennen kann, verfolgt von meiner Angst und einem Fuchs im Schnee.
14.3. 2013 9:07
Neben mir sechs ältere Patienten im Infusionszimmer. Das Radio spielt Gloria Gaynor, I will survive. Ohrstöpsel. Lektüre, Arbeit.
16.3. 2013 14:45
Eiskalt, Schnee auf der Terrasse, in der Sonne 14 Grad. Mit einem Becher Tee und in warme Decken gehüllt, halte ich das Gesicht der Sonne entgegen, die ein Drittel ihres Lebens bald auch schon hinter sich hat.
17.3. 2013 6:39
Zum ersten Mal die Maus bei Licht gesehen. Sie sitzt auf einer Schneeinsel, sieht sich nach Vogelfutter um und findet auch welches.
18.3. 1013 20:30
Im Deichgraf alle der Meinung, es müsse mit Winter nun auch mal ein Ende haben, sei doch scheiße, Joachim will im Trockenen joggen. Flocken vor dem Fenster. Find ich nicht, ich find’s toll. Der Schnee ist toll, es soll weiter schneien, immer weiter, der Winter soll nie
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