Argemí, Raúl
widerstehen, auch wenn sie nicht wahr ist. Deshalb ließ ich sie in den Wachphasen immer wieder Revue passieren, um sie mir so fest einzuprägen, wie man einen Nagel in die Wand schlägt.
Prudencio Márquez blieb vor dem Araukarienbaum stehen und räumte die Steine beiseite, die zwischen den Wurzeln lagen. Die Flaschen waren noch an ihrem Platz und füllten den Zwischenraum. Die Korken waren ebenfalls noch da, wo sie hingehörten, und warteten. Jeden Monat hatte er eine volle Flasche unter dem Baum deponiert. Jeden Monat hatte er sein Versprechen erneuert, nicht zu trinken.
Prudencio Márquez richtete sich auf und trat einen Schritt zurück, dann noch einen, wie um sich zu vergewissern, dass er Abstand nehmen und sich beherrschen konnte. Die Flaschen waren an ihrem Platz, und er wartete auf ein Zeichen, während er den Durst ertrug, den der Erlöser ihm zu bezähmen befohlen hatte.
Vielleicht, dachte er, ging es im Leben ja darum, warten zu können, und alles war nur eine Frage der Geduld.
Also wartete er.
Er wartete unter den herabhängenden Ästen der Araukarie, durch die das Licht der Mittagssonne auf sein Gesicht fiel. Schläfrig vom Wind, der vom Bergland von Quebrada Luán herüberwehte, ließ er seine Gedanken schweifen, und die vereinzelten Geräusche der Ziegen zwischen den Büschen durchschnitten die Leere.
Das Motorengeräusch eines Wagens schwoll an, während er über die Anhöhen brauste. Touristen, die vom See kamen und die Straße entlangfuhren, ohne links und rechts zu schauen. Obwohl, manchmal taten sie es doch. Wenn die Typen vom Berg ihre Ponchos, Läufer und die von den Mapuche-Frauen gewebten Decken feilboten, blieben sie manchmal stehen, um etwas zu kaufen. Sie hielten ihre Fahrzeuge an, und die Halsabschneider machten gutes Geld mit den Webwaren, für die sie selbst nur einen Hungerlohn bezahlten.
Márquez und seine Leute brachten ihnen schon seit geraumer Zeit keine Ware mehr. Seit sie sich gestritten hatten; das war vor drei Jahren gewesen, wie er sich genau erinnerte. Diese Händler machten den Reibach und wurden immer wohlhabender, während sie nicht einmal Geld für Zucker hatten.
Der Priester, der aus Neuquén gekommen war, um sie das Evangelium zu lehren, wollte, dass sie ein eigenes Geschäft gründeten und ihre Sachen selbst in der Stadt verkauften.
Er erklärte sich bereit, den Stapel Läufer und Decken mitzunehmen, die sie den Winter über gewebt hatten. Danach ließ er sich in Quebrada Luán nicht mehr blicken. Bestimmt war ihm etwas zugestoßen; denn der Priester war ein seriöser Mensch, und in der Stadt war die Ware eine Menge Geld wert.
Zum Glück hatte er ihm die Bibel und das Evangelium dagelassen. Ihm, Prudencio Márquez.
Bevor er gegangen war, hatte er sie im Fluss getauft; bis zu den Knien hatten sie in der Strömung gestanden. Er erinnerte sich daran, als sei es gestern gewesen. Es hatte sogar Gelächter gegeben, respektvoll natürlich, weil der Priester im eisigen Wasser geschlottert hatte, während sie nicht einmal mit der Wimper gezuckt hatten.
Dieses Jahr führte der Fluss wieder wenig Wasser. Es war ein schneearmer Winter gewesen und ein Frühjahr mit wenig Weidegras und vielen toten Lämmern. Noch eines.
Prudencio Márquez nahm seinen Hut ab und ließ sich den Wind über den Kopf streichen. Die Ziegen wollten zurück zum Fluss, der sich zwischen der Anhöhe und den Häusern hindurchschlängelte. Er pfiff, und die Hunde kreisten sie ein.
Trotz des spärlichen Schattens, den die Araukarie warf, brannte die Sonne heiß, und er setzte sich den Hut wieder auf. Der Wagen hatte die Händler bereits hinter sich gelassen und zog eine Staubwolke hinter sich her. Es war ein bunt bemaltes Fahrzeug mit einem Wohnwagenanhänger.
»La Plata« stand auf der Seite des Wohnwagens. Das war eine große Stadt in der Region Buenos Aires, erinnerte sich Prudencio Márquez.
Er sei sehr stolz, zu sehr für einen armen Mann, pflegte seine Frau Luisa zu sagen, aber das Wichtigste war, lesen zu können. Die paar Jahre, die er zur Schule gegangen war, hatten ihm einiges gebracht. Sie hatten etwas über Geschichte gelernt, auch über die verschiedenen Regionen des Landes und über Jahreszahlen. Vielleicht hatte der Priester ihn deshalb auserwählt.
Falsch. Gott hatte ihn auserwählt. Weil er das Wort Gottes lesen und die Wahrheit verkünden konnte. Der Priester war nur sein Werkzeug gewesen.
Weil er lesen konnte und weil er sein Versprechen gehalten und zu trinken aufgehört
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