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Argemí, Raúl

Argemí, Raúl

Titel: Argemí, Raúl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chamäleon Cacho
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hatte. Er hing nicht mehr an der Flasche. Auch wenn sich ihm der Magen vor Durst zusammenkrampfte und ihn die Araukarie mit den Flaschen in Versuchung führte. Der Priester von Neuquén hatte ihm das Wort Gottes gegeben; er hatte ihm die Bibel dagelassen und ihn Bruder genannt, ohne auf seine dunkle Hautfarbe oder seine indianische Herkunft zu achten.
    Das Leben war härter geworden. Die Márquez waren keine große Sippe, aber sehr der Sünde zugeneigt. Und sie auf den rechten Weg zurückzuführen, ohne sich dabei ein paar Gläser Wein zu gönnen oder sich im Rausch dem Vergessen hinzugeben, schmerzte.
    »Höllisch sogar …«, murmelte Prudencio Márquez und rieb sich tief seufzend den Bauch.
    Ein Gebet zum Schutz gegen die Versuchungen des Teufels kam ihm über die Lippen, und ohne weiter auf den Fluch zu achten, begab er sich unter den doppelten Schutz des Herrn und der Araukarie.
    Schade, dass der Priester aus Neuquén nicht mehr kam, seit drei Sommern musste er sich darauf verlassen, dass Gott zu ihm herabsteigen würde, wenn er dessen Wort las, damit er es ihm erkläre. Und nicht nur, was da stand, dafür genügte ihm, was er in der Schule gelernt hatte, sondern um zu erfahren, was es bedeutete, was die Botschaft war. Das war die eigentliche Schwierigkeit.
    Doch er hatte Vertrauen. Und seine Leute hatten ebenfalls gelernt zu vertrauen. Auch wenn sie ihren Grund und Boden oben am Hang verloren hatten, weil sie keine Besitzurkunde vorweisen konnten; man hatte einen Drahtzaun aufgestellt. Auch wenn andere Priester und der Pfarrer, der sie hin und wieder besuchte, sagten, dass ihre Sünde der Stolz sei. Auch wenn die Mormonen von der Mission das Blaue vom Himmel versprachen.
    Sie konnten ihnen ein Dach überm Kopf geben, sogar Essen und Geld, aber der Herr hatte Prudencio Márquez erleuchtet; und Prudencio Márquez war kein Niemand.
    Mit seinen rauen Händen drehte sich der Mann eine Zigarette und vertraute sich dem Baum an, der ihm mit wiegenden Zweigen lauschte.
    Es stimmte, dass ein paar Abtrünnige die Sippe der Márquez verlassen hatten. Sie waren diesen verräterischen Gringos gefolgt, die wollten, dass sie in ihrer eigenen Sprache sprachen und in die Zeiten der Urgroßeltern zurückfielen; wo er doch wusste, dass sie die Sprache ein für alle Mal vergessen mussten, um endlich so zu sprechen, dass man sie verstand; so wie die Weißen.
    Sie waren den Gringos gefolgt, aber das änderte rein gar nichts. Es säte nur Zweifel unter den Leuten, die nicht länger warten, den Hunger und ein Leben ohne jede Anerkennung nicht mehr ertragen konnten.
    Prudencio Márquez beugte sich nach vorn über die Flaschen, und mit ein paar großen Steinen deckte er den Hohlraum zwischen den Wurzeln wieder zu. Dann richtete er sich auf, und seine Augen glitten den hohen Stamm der Araukarie entlang, und er lächelte herausfordernd zu den Ästen hinauf. In den längst vergangenen Zeiten der Großeltern glaubten die Mapuche noch an falsche Götter und heilige Bäume, und sie beteten in einer Sprache, die niemand verstand und die sie dort hingebracht hatte, wo sie jetzt waren: Man nahm ihnen Grund und Boden weg, und ein paar verlogene Gringos versuchten, sie dazu zu bringen, wieder die Sprache der Armen zu sprechen, die der Dienstboten, um sie weiter betrügen zu können.
    Aber das würde sich ändern. Prudencio Márquez wusste es, er hatte es in der Bibel gelesen; etwas Entscheidendes würde geschehen. Deshalb wartete er auf die Botschaft, die einfach nicht kommen wollte.
    Prudencio Márquez ließ den Blick über die Anhöhe schweifen, und mit einem Pfiff befahl er den Hunden, die Ziegen zurückzutreiben, die sich entfernt hatten.
    Er drehte sich um und betrachtete den Fluss, der metallisch glitzernd den Felsen hinabschoss. Der Wagen war vorbeigefahren, und der Wind trieb die Staubwolke über die Häuser der Márquez.
    Aber es war nicht nur Staub, den man auf dieser Seite sah, sondern ebenfalls Rauch. Ein dicker Streifen aus schwarzem Rauch stieg vom Dach seiner Farm auf. Brannte sie etwa? Sie brannte.
    Er sah außerdem Luisa draußen mit den Kindern, und die Schwester seiner Frau, ein kleiner Punkt, der in seine Richtung den Hügel hinaufwanderte, und die Schwiegermutter und die Gesten, die Worte begleiteten, die auf diese Distanz nicht zu verstehen waren.
    Er pfiff, damit die Hunde die Herde zusammentrieben, und stürzte wie eine Ziege mit sicherem Schritt den Weg hinab.
    Er hatte Angst, wieso sollte er es auch nicht zugeben, und

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