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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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entpuppten. Bergdörfer klammerten sich an steile Felswände, hingen wie Adlernester über bodenlosen Klüften. In den Tälern sah man endlose Reihen aus Weinreben, dann und wann Zitronenplantagen und verdorrte Weiden. Enge Straßen verliefen in verschlungenen Serpentinen von Ort zu Ort, manche endeten im Nirgendwo.
    Je tiefer sie ins Innere der Insel kamen, desto sonnenverbrannter und leerer wurde das Land. Am auffälligsten waren die zahllosen Ruinen verlassener Gehöfte, Überbleibsel einer Zeit, als darin die Bauern und Tagelöhner der Großgrundbesitzer gelebt hatten. Heute waren die einen wie die anderen verschwunden und niemand machte sich die Mühe, die letzten Erinnerungen an diese Zeit zu beseitigen. Wind und Wetter erledigten das irgendwann von allein.
    Rosa war überwältigt von der rauen Anmut dieses Landes. Hin und wieder sahen sie auf Bergkuppen am Rand der Dörfer heruntergekommene Villen, manche befestigt wie Burgen, mit zinnenbewehrten Mauern und Wehrtürmen, mit Kapellen und eigenen Friedhöfen. Zoe erklärte ihr über den Lärm hinweg, dass man vielen dieser uralten Gemäuer noch den Einfluss der Araber ansah, die Sizilien vor langer Zeit besetzt hatten.
    Einmal flogen sie über geborstene Säulen und Tempeltrümmer, die wie eine Miniatur der Akropolis aussahen, schließlich über den Steintrichter eines antiken Amphitheaters. Nirgends rund ums Mittelmeer gebe es derart viele griechische Ruinen auf so engem Raum, sagte Zoe. Die Insel war einst eine Kolonie der Griechen und nicht ohne Grund hieß es, dass viele Abenteuer des Odysseus an den Küsten Siziliens stattgefunden hatten. »Ungeheuer gab es hier schon immer«, rief Zoe, während sie einmal mehr Rosas Ohrenschützer anhob, »nicht erst seit der Cosa Nostra.«
    Irgendwann wurde das Land wieder grüner. Ginsterbüsche, Oleander und Kakteenfelder gingen in lichte Wälder über. Der Pilot gab ihnen ein Zeichen und gleich darauf senkte er die Flughöhe. Der Helikopter drehte eine weite Runde über einem Hang voller Olivenbäume.
    Das ist es, formte Zoe stumm mit den Lippen.
    Rosa presste die Nase ans Glas und sah unter sich das Ziel ihrer Reise. Genau das, was sie gesucht hatte. Jede Menge Einsamkeit.
    Palazzo Alcantara.

Fleischfresser
    W illkommen«, sagte die hochgewachsene Frau, als die Schwestern den Rand der Wiese erreichten und das Rotorengeräusch des Helikopters in ihrem Rücken erstarb.
    Vor dem Hintergrund des barocken Anwesens wirkte Florinda Alcantara wie eine Erscheinung aus vergangenen Tagen. Sie stand im Schatten einer mächtigen Kastanie, wie es sie hier zu Dutzenden gab; sie bildeten einen dunklen Wall vor den knorrig verdrehten Olivenbäumen.
    Florinda war Mitte vierzig und besaß die süditalienischen Züge ihrer Vorfahren. Ihre hohen dunklen Brauen verliehen ihr einen strengen Zug, während die vollen Lippen etwas sehr Sinnliches hatten. Das hochgesteckte Haar, eigentlich schwarz, hatte sie hellblond gefärbt. Der Ansatz war nachgedunkelt.
    Die Herzlichkeit ihrer Umarmung war eine Überraschung. Ebenso der Kuss, den sie Rosa auf die Stirn gab. »Wir haben uns sehr auf dich gefreut«, sagte sie und ihr Strahlen warf Rosas ersten Eindruck gründlich über den Haufen. Wenn Florinda lächelte, wirkte sie liebenswürdig und warmherzig. Nur wenn sie ernst dreinschaute, lag eine bedrückende Düsternis in ihrem Blick. Dann sah sie aus, als plagten sie Sorgen, und das nicht erst seit gestern.
    Auf dem Weg zum Haus warf Rosa einen Blick zurück zum Helikopter. Jetzt fiel ihr auf, dass an vielen Stellen Lack abgeplatzt war. Eine dünne Rauchfahne, die sich aus dem Getriebe des Heckmotors kräuselte, beschäftigte den Piloten. Er stand breitbeinig davor im Gras, hatte die Hände in die Seiten gestemmt und begutachtete den Schaden. Wenig später hörte sie ihn mit einem Hammer auf Blech schlagen.
    Das Landgut der Alcantaras umwehte die welke Pracht früherer Jahrhunderte. Die breite Fassade beschattete einen Kiesplatz, in dessen Mitte sich ein gewaltiger Brunnen erhob. Kein Wasser floss aus den Mündern der steinernen Faune. Beim Näherkommen entdeckte Rosa in dem ausgetrockneten Becken Dutzende leere Vogelnester; jemand musste sie aus den Bäumen gepflückt und hier gesammelt haben.
    Schmiedeeiserne Balkone dominierten die Front des Anwesens. Die Wand war mit kunstvollen Stuckarbeiten besetzt. Figuren aus hellbraunem Tuffstein bewachten den Vorplatz von ihren Nischen aus. Die meisten Bildhauereien waren beschädigt, fast alle mit Moos

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