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Arkadien 01 - Arkadien erwacht

Titel: Arkadien 01 - Arkadien erwacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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und sichergehen, dass keine Risse darin sind.«
    »Wie bitte?«
    »Edgar Allan Poe. Der Untergang des Hauses Usher. Mit dem Erwachen des Opiumessers vergleicht der Erzähler das Gefühl, als er das Haus der Ushers zum ersten Mal vor sich sieht. Am Ende bricht der ganze Kasten auseinander … Schullektüre, Zoe. Kennst du nicht.«
    Ihre Schwester kräuselte die Stirn. »Hier gibt’s jedenfalls keine Gespenster.«
    »Madeleine Usher war kein Gespenst. Sie war scheintot und ihr Bruder hat sie lebendig begraben, bevor sie wieder aus ihrem Sarg gekrochen ist. Apropos: Wo ist die Familiengruft?«
    Zoe betrachtete kritisch Rosas schwarz lackierte Fingernägel. »Du stehst noch immer auf diesen Horrormist.«
    Rosa berührte sanft ihre Hand. »Zeigst du mir Dads Grab?«
    s
    Eine Granitplatte, zwischen vielen anderen eingelassen in einer Wand der Toten. Keine Bilder, keine Blumen, nur ein steinernes Schachbrettmuster aus gemeißelten Namen.
    Davide Alcantara. Nicht mal Geburts- oder Todestag.
    Die Gruft befand sich in einer Kapelle, die an den Ostflügel des Anwesens grenzte. Es gab eine Verbindungstür zum Haupthaus, aber Rosa bat ihre Schwester, außen herum zurückzugehen.
    Im Freien roch es nach Ginster und Lavendel. Der Palazzo lag an einem Hang, der nach Osten hin sanft anstieg. Jenseits der Kastanien erstreckte sich der Pinienwald bis zum Bergkamm hinauf. Die weiten Olivenhaine begannen hangabwärts auf der Westseite, unterhalb der Panoramaterrasse, und waren von hier aus nicht zu sehen.
    Etwas zog Rosas Blick an der Kapelle nach oben. Eine gusseiserne Glocke war über dem Portal in einer Nische der Fassade angebracht, alt und krustig schwarz, als hätte sie im Feuer gehangen.
    »Hat da drin mal ein Vogel genistet?«
    »Florinda mag eben kein Zwitschern. Du magst keine Menschen. Was soll’s?«
    »Jeder mag singende Vögel.«
    »Sie nicht.« Zoe winkte ab. »Und das mit dem Singen sieht sie anders, glaub’s mir.«
    Rosa blickte noch einmal zu der schweren Glocke hinauf, dann zum offenen Eingang der Grabkapelle. »Ich hab ihn gar nicht gekannt. Nicht so wie du.«
    »Er war in Ordnung, glaube ich.«
    »Warum hat er dann Mom geheiratet?«
    »Sie ist nicht so schlimm, wie du denkst.«
    »Du warst nicht dabei.«
    Zoe senkte den Blick. »Nein, war ich nicht. Tut mir leid.« Sie schwieg einen Moment. »Ich hätte dir helfen müssen.« Aber es klang, als wäre sie noch immer froh darüber, dass sie damals weit weg gewesen war.
    Rosa nahm Zoe bei der Hand. »Komm, zeig mir die Umgebung.«
    Gemeinsam umrundeten sie den Palazzo unterhalb der Kastanien. Zwischen den Bäumen sahen sie die schimmernden Scheiben eines Palmenhauses, das als lang gestreckter Glasfinger aus der Rückwand des Anwesens ragte. Rosa hatte es schon vorher bemerkt, von ihrem Zimmer aus; es lag genau unter ihrem Fenster.
    An der Westseite, in den Ausläufern der Olivenhaine weiter unten am Hang, begegneten sie weder den Gärtnern noch den Wächtern des Anwesens. Rosa lief benommen, wie auf Watte, aber sie wusste, wenn sie sich jetzt ins Bett legte, würde sie nicht schlafen können.
    »Florinda will, dass wir sie morgen begleiten«, sagte Zoe.
    »Wohin?«
    »So eine offizielle Sache. Familienpolitisch gesehen.«
    »Eine Bank ausrauben?«
    Eine steile Falte erschien zwischen Zoes Brauen. »Ich hab doch gesagt, damit haben wir nichts zu tun.«
    »Wir kassieren nur Abgaben von denjenigen, die in unserem Gebiet die Verbrechen begehen, richtig?«
    »Viele Geschäfte sind mittlerweile, na ja, sagen wir: halb legal. Weißt du, womit Florinda Jahr für Jahr ein kleines Vermögen verdient? Mit Windrädern. Überall in den Bergen, auf ganz Sizilien, lässt sie durch eine ihrer Firmen Windräder bauen, streicht Millionen an Fördergeldern aus Rom ein – und produziert nicht ein einziges Watt Strom. Die meisten drehen sich nicht mal im größten Sturm.« Als sie bemerkte, dass Rosa kaum noch zuhörte, seufzte sie. »Also, morgen, das ist eine Beerdigung. Alle müssen hin, jede Familie schickt ihre Vertreter. Einer der großen capi ist gestorben. Der Respekt verlangt, dass ihm alle die letzte Ehre erweisen, auch seine Feinde … Ehrenkodex, blablabla.«
    »Seine Feinde?«, fragte Rosa. »Sind wir das?«
    »Alcantaras und Carnevares sind sich seit jeher so was von spinnefeind. Aber es gibt eine Art Waffenstillstand, den niemand zu brechen wagt.«
    Rosa blieb wie angewurzelt stehen. »Dieser Name.«
    »Carnevare? Sie beerdigen morgen ihr Oberhaupt. Baron Massimo

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