Ash
eine dicke Stoffpuppe in meinen alten Sachen. Aber wenn ich mit Thermowax-Klamotten nach Hause komme, riecht Sid sofort Lunte.
„ Sei vorsichtig … sind eine Menge üble Gestalten unterwegs, wo du wohnst.“
Er drückt mich an sich, und ich genieße seine Nähe ein letztes Mal durch den dicken Stoff meiner Jacke. Ich liebe dich … mehr als mein Leben … will ich sagen, doch im letzten Moment hält mein Verstand mich zurück. Liebe ist etwas für Privilegierte, nicht für Gescheiterte wie mich. Ash mag mich … dessen bin ich mir sicher … aber ich habe mich ihm verkauft.
2.
Entführt
Als ich am nächsten Morgen aufwache, ist es dunkel. An Dunkelheit bin ich gewöhnt, aber jetzt ist es so dunkel, dass ich meine Hand vor Augen nicht sehe. Das Apartment, in dem ich mit Sid lebe, ist eiskalt. Zitternd steige ich aus meinem Bett und taste mich zum Fenster vor. Auch die Straße vor dem Haus liegt in vollkommener Dunkelheit. Hier und da sehe ich einzelne Lichtflecken aufblitzen – Led-Stabs, die von Magnatec verteilt werden, wenn mal wieder nicht genügend Energie übrig ist, die Straßen zu beleuchten. Unser Viertel ist eines der Ärmsten – wenn Magnatec Energie sparen muss, werden bei uns zuallererst die Energielieferungen eingestellt.
Ich schätze, Magnatec hat mal wieder die täglichen sechs Stunden, in denen uns Energie zugesichert ist, auf fünf Stunden herunter gesetzt. Heute ist Samstag, ich werde es also vor Montag nicht erfahren.
Leise fluche ich vor mich hin, als ich mir den großen Zeh an meinem Schrank stoße, und suche im Regal nach meinem Led-Stab. Als ich ihn gefunden habe, gehe ich ins Badezimmer, um mich zu waschen und in meine schwarze Hose und meinen Pullover zu schlüpfen. In der Wohnung ist es eiskalt, weil auch die Wärmeeinheiten nur mit Energie laufen. Ich überlege es mir anders und ziehe unter den Pullover noch ein enges Top. Mit dem Led-Stab leuchte ich in den Spiegel und begutachte kritisch mein Gesicht. Ich bin blass, habe dunkle Ringe unter den Augen, und mein langes rotes Haar umrahmt glanzlos mein müdes Gesicht. Ich will hübsch sein für Ash. Er soll mir die Armut nicht ansehen.
Entschlossen greife ich zu Make-up und Lippenstift. Normalerweise schminke ich mich nur wenig oder überhaupt nicht, doch heute – das sehe ich ein – ist es nötig.
Unzufrieden schlüpfe ich in die Stiefel mit den hohen Absätzen. Mutanten sind groß, und ich reiche Ash ohnehin kaum bis zur Brust.
Betont laut trete ich mit den Stiefelabsätzen auf, als ich in die Küche gehe. Mit dem Led-Stab leuchte ich Sid ins Gesicht. Er ist mit dem Kopf auf dem Küchentisch eingeschlafen und schnarcht leise. Es tut mir weh, ihn so zu sehen. Wieder einmal hat er gestern Abend den Weg ins Bett nicht mehr gefunden. Den findet er nie, wenn er aus dem Tenfathers kommt. Mein kleiner Bruder ist zu einem Blutjunkie geworden! Mutantenblut verursacht Rauschzustände; und viele Mutanten fühlen sich sicherer, wenn sie ihren Spender von sich abhängig machen. Wer sich darauf einlässt, hat den Schritt in die Hölle getan. Mutanten lieben Blut- und Sexsklaven. Die einzige Gerechtigkeit ist, dass sie sich nicht fortpflanzen können. Nicht auf natürlichem Weg!
Ich versuche mir vorzustellen, was Angel mit meinem Bruder tut. Ich weiß, dass er einen Vertrag mit der Mutantin hat. Ihr Zeichen auf seiner Hand zeigt zwei gespannte Flügel. Ich muss wieder an Ash denken und daran, wie viel Glück ich habe.
Sid versucht, den grellen Strahl des Led-Stab mit der Hand fortzuwischen. Ich gehe näher an ihn heran und leuchte ihm direkt in die Augen. „Sid ... steh auf, komm schon!“
Er hebt den Kopf und sieht mich stumpfsinnig aus blutunterlaufenen Augen an. Sein blondes Haar steht strubbelig in alle Richtungen ab, und seine Pupillen sind so groß, dass seine Augen fast schwarz wirken. Ohne Vorwarnung packt er mich um die Taille und zieht mich an sich. „Angel … Ich brauch noch was, um über den Tag zu kommen.“
Ungehalten befreie ich mich aus Sids Griff. Ich bin so verdammt sauer … und verzweifelt. „Ich bin es – Taya, deine Schwester.“ Ich rüttelte an seinem Arm, damit er endlich wach wird.
Sid wird sauer. Wenn er auf Entzug ist, hat er schlechte Laune. Nicht gerade die beste Zeit, einen Streit mit ihm anzufangen. „Taya … nerv nicht! Nicht jetzt!“
„Du denkst nur noch an dieses Miststück!“
Er springt auf, in seinen Augen funkelt es wild. Grob packt er mich am Arm und stößt mich gegen den
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